Der 59-jährige Reto Furrer aus Egg ZH bestritt jahrelang harte Sportwettkämpfe. Er schwamm 26 Kilometer beim Marathon-Schwimmen in Zürich, flog für den Triathlonwettkampf Ironman nach Hawaii und rannte 230 Kilometer durch die Sahara. Dafür trainierte er 15 bis 20 Stunden pro Woche. Als er 40 wurde, hörte er damit auf. «Mein Ehrgeiz und das intensive Training führten dazu, dass ich meinen Körper überlastete», erinnert er sich. Er litt oft an entzündeten Muskelansätzen.
Erhöhtes Risiko für chronische Krankheiten
Fachleute bestätigen Reto Furrers Erfahrungen: Sport im Übermass tut nicht gut. Die Sportpsychologin Romana Feldmann aus Bertschikon ZH sagt: «Wenn man die eigenen körperlichen Grenzen nicht respektiert oder wenn sich eine Sportsucht entwickelt, wird das Training ungesund.» Das zeigen auch Studien. Eine Untersuchung der Universität von British Columbia in Kanada ergab: Zu viel Ehrgeiz erhöht das Risiko für chronische Krankheiten. Die Forscher hatten 90 Sportler im Alter von durchschnittlich 17 Jahren untersucht. Sie stellten fest: Die ehrgeizigsten Teilnehmer, die an Zielen festhielten, auch wenn sie diese nicht erreichen konnten, hatten erhöhte Werte von Entzündungsmarkern im Blut. Diese Marker zeigen ein erhöhtes Risiko für Diabetes, Osteoporose und Herzkrankheiten.
Diese Gefahr betreffe immer mehr Hobbyathleten, sagt Romana Feldmann: «In den letzten Jahren haben vor allem die Ausdauersportarten zugelegt, Teamsportarten weniger.» Der Trend ist klar: Immer mehr Leistung, immer längere Distanzen. Sportler, für die ein Marathonlauf zu wenig anstrengend ist, massen sich Ende August in Buchs SG bei einem Ultratriathlonwettkampf. Zehn Tage lang standen täglich 4 Kilometer Schwimmen,
180 Kilometer Velofahren und ein Lauf über die Marathondistanz von 42 Kilometern auf dem Programm.
Der deutsche Sportwissenschafter Ingo Froböse beobachtet vor allem bei Marathon- und Triathlonteilnehmern oft einen übermässigen Ehrgeiz: «Das äussert sich in der viel zu hohen Intensität des Trainings.» Manche Sportler würden auf notwendige Trainingspausen verzichten, um ihre Leistung zu steigern. Die Folgen sind Ermüdungsbrüche, Gelenkbeschwerden und Kreislaufprobleme. Auch beim Krafttraining seien übermässiger Ehrgeiz und unrealistische Ziele schädlich, sagt Froböse, «zum Beispiel, wenn jemand unbedingt ein Sixpack haben möchte, dafür aber nicht die nötigen Voraussetzungen hat.»
Eine im Fachblatt «Journal of the American College of Cardiology» veröffentlichte Studie zeigte vor acht Jahren: Zu viel Training schadet dem Körper genauso, wie wenn jemand gar nicht trainiert. Die Forscher hatten 1000 dänische Jogger mit 4000 Personen verglichen, die nie trainierten. Die Forscher fanden heraus: Jogger, die zweieinhalb bis vier Stunden pro Woche trainierten, hatten ein ähnlich hohes Risiko, an Herzkrankheiten zu sterben, wie die Teilnehmer, die nie joggten. Am gesündesten waren die Teilnehmer, die eine bis zweieinhalb Stunden pro Woche in gemütlichem Tempo rannten.
Ingo Froböse empfiehlt, nach dem Ausdauertraining eine Pause von mindestens 24 bis 36 Stunden einzulegen, damit sich der Körper erholen kann. Nach dem Krafttraining solle man gar zwei bis drei Tage pausieren. «Am Tag nach dem Training sollte der Ruhepuls wieder normal sein», sagt Froböse. «Sonst war das Training zu intensiv.»
Auch Hobbysportler Christian Portmann aus Kriens LU weiss aus Erfahrung: «Erholung nach dem Training ist wichtig, um gesund zu bleiben.» Im Sommer fährt der 59-Jährige Rennvelo und Mountainbike, im Winter turnt er in der Halle. «Bewegung gehört für mich zum Leben», sagt Portmann. «Ich trainiere regelmässig, weil ich gern fit und beweglich bleiben möchte.» Dabei achtet er darauf, dass er seinen Körper nicht überfordert. Bei längeren Wanderungen fährt er mit der Seilbahn oder mit dem Postauto ins Tal: «Das schont die Gelenke.» Gesundheitliche Beschwerden wegen des Sporttrainings hat er keine.
Oft fehlt das Wissen über das richtige Training
Der Berner Fitnesscoach Niklaus Jud beobachtet in seinem Studio täglich Leute, die zu viel trainieren. Daran sei nicht nur übermässiger Ehrgeiz schuld. Oft fehle auch das Wissen über die Trainingsplanung. Einsteigern rät Jud, höchstens 30 Minuten pro Tag in einem leicht anstrengenden Rhythmus zu trainieren. Fortgeschrittene könnten das Training auf eine Stunde pro Tag erhöhen.
Rückblickend sagt Hobbysportler Reto Furrer, dass er «heute einiges anders machen würde. Vor allem würde ich mehr Zeit für die Erholung einplanen.» Seine Tochter, die in der Mountainbike-Nationalmannschaft mitfährt, mache das besser: «Bei ihrem Trainingsplan wird viel Wert auf Erholung gelegt.»
Tipps: So trainieren Sie ohne Risiko
- Setzen Sie sich realistische Ziele, die Sie innerhalb von vier Wochen erreichen können.
- Trainieren Sie zwei- bis dreimal pro Woche je 20 bis 60 Minuten. Mehr ist nicht nötig.
- Trainieren Sie so, dass Sie nicht ausser Atem kommen und noch sprechen können.
- Schalten Sie nach dem Ausdauertraining 24 bis 36 Stunden Pause ein, nach dem Krafttraining zwei bis drei Tage.
- Zu einem ausgewogenen Fitnesstraining gehören neben Ausdauertraining Übungen für Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer.
- Anfänger im Alter über 40 Jahren sollten mit ihrem Hausarzt sprechen, bevor sie mit dem Training beginnen.