Sie lebten über 15 Jahre ohne Papiere, erst seit Kurzem haben Sie eine Aufenthaltsbewilligung. Wie fühlen Sie sich?
Wie neu geboren. Ich muss keine Angst mehr haben und mich nicht mehr verstecken.
Was haben Sie getan, um nicht entdeckt zu werden?
Ich bin nie spät ausser Haus gegangen, weil es dann vielleicht Kontrollen gibt. Wenn ich tagsüber Polizisten sah, hatte ich grosse Angst, dass man mich entdeckt und abschiebt. Unwohl fühlte ich mich auch bei Kontrollen im Bus, obwohl ich nie ohne Billett einstieg.
Wurden Sie nie erwischt?
Nein, aber einmal war es kritisch. Ich sass bei einer Kollegin im Auto und sie fuhr schneller als erlaubt. Die Polizei hielt uns an, es war schrecklich. Ich dachte: Es ist vorbei, das sind meine letzten Minuten in der Schweiz. Aber sie haben nur sie kontrolliert, mich nicht.
Weshalb sind Sie in die Schweiz gekommen?
Ich hatte mich in meinem Heimatland scheiden lassen und damit die Familienehre verletzt. Mein Vater sagte, ich hätte die Familie blamiert. Nachbarn und auch Verwandte sagten dasselbe. Mit meinen Eltern hatte ich deshalb lange keinen Kontakt mehr. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und reiste zu meinem Bruder und meiner Schwester in die Schweiz.
Sie lebten lange im Versteckten. Gab das nicht neue Probleme?
Doch. Ich hatte sehr lange keine Krankenversicherung. Und später fehlte mir das Geld, um die Prämien zu zahlen. Ich konnte ja nicht berufstätig sein, sondern nur anderen im Haushalt helfen. Im Gegenzug halfen sie mir.
Wie genau?
Sie gaben mir, was ich zum Leben brauchte, oder bezahlten die Krankenkassenprämien. Aber ich hatte oft Angst, wegen offener Prämien betrieben und entdeckt zu werden. An einem Bein musste ich mich operieren lassen. Jetzt habe ich noch eine Operation an der Gebärmutter vor mir.
Hatten Sie Angst, zum Arzt oder ins Spital zu gehen?
Am Anfang ja. Glücklicherweise erfuhr ich, dass mich die Ärzte behandeln müssen, ob ich Papiere habe oder nicht.
Sie haben geheiratet. Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt?
Als ich Bekannte beim Shoppen begleitete. Wir haben uns sofort gefallen. Wir haben uns verliebt – und ich vertraue ihm. Deshalb haben wir geheiratet.
Was bedeutet das für Sie?
Ich glaube, es war Schicksal. Ich hätte nicht mehr lange als Sans-Papier leben können. Ich war oft traurig und hatte Angst, es ging mir immer schlechter. Ich fühlte mich wie in einem Keller im Dunkeln.
Wie soll es jetzt weitergehen?
Ich möchte einfach normal leben: Schnell eine Arbeit finden, selber Rechnungen bezahlen, keine Schulden haben und wenn möglich einmal in die Ferien fahren. Und wir wünschen uns so sehr ein Kind.
Zur Person: F. B.
Als 23-Jährige verliess F. B. ihr Heimatland auf dem Balkan. Gut 15 Jahre lebte sie als Sans-Papier in der Schweiz. Heute ist sie 39, besitzt eine Aufenthaltserlaubnis – und ist frisch verheiratet.