Essen wie in der Steinzeit: Das empfiehlt Romy Dollé. Die Finanzberaterin aus Zumikon ZH hat darüber das Buch «Der Paleo-Code» geschrieben. Sie rät, nur Lebensmittel zu essen, die «schon unseren Vorfahren, den Jägern und Sammlern der Altsteinzeit», zur Verfügung standen – also vor allem Fleisch, Gemüse, Früchte und Nüsse.
Auf Milchprodukte sowie auf Beilagen wie Teigwaren, Kartoffeln und Reis solle man verzichten. Hülsenfrüchte und Brot sind auch nicht erlaubt. Denn der Mensch habe sich, so Dollé, «bis heute nicht an diese neuzeitlichen Lebensmittel anpassen können». Zivilisationskrankheiten wie Herzkrankheiten, Diabetes und Krebs seien die Folge. Auch ihr Mann, der Fitnesstrainer Dave Dollé, und ihr zehnjähriger Sohn ernähren sich laut ihren Angaben so. Romy Dollés Buch enthält Rezepte wie eine «Fleischpizza» mit Hackfleisch statt Teig.
Fast jeden Monat kommen neue Paleo-Bücher auf den Markt. Der deutsche Autor Nico Richter verspricht in seinem Buch «Paleo Power for Life», mit dieser Ernährung könne man «schlank, fit und gesund bleiben» und viele «Beschwerden in den Griff bekommen». Sie sei auch für Kinder «sicher», schreibt Richter in seinem Blog. Zudem rät er, man solle verarbeitete Lebensmittel wegen der darin enthaltenen Zusatzstoffe meiden. Auch der Hotelier Roger Gloor ist auf den Trend aufgesprungen: Seit dem letzten November bietet er im Restaurant «Feinwerk» in Regensdorf ZH Paleo-Menüs an.
Die 23-jährige Studentin Sabrina Dichne aus Zollikerberg ZH ist im letzten Herbst auf die Diät umgestiegen. Der Grund: Sie litt an Arthritis. «Jetzt fühle ich mich viel besser», sagt sie. Sie brauche keine Medikamente mehr gegen Arthritis, seit sie keine Milchprodukte und kein Getreide mehr esse. Dafür habe sie neue Lebensmittel entdeckt wie Maniok, Kochbananen und Innereien.
«Einschränkende Diät behindert Wachstum»
Doch Fachleute warnen, die Steinzeit-Ernährung könne gesundheitliche Probleme verursachen. Der Präventivmediziner David Fäh von der Universität Zürich sagt, ein häufiger Konsum von rotem Fleisch könne das Risiko für Herzkrankheiten und Krebs erhöhen. Studien hätten gezeigt, dass Diäten mit wenig Kohlenhydraten die Lebenserwartung vermindern. Grund: Man isst dabei weniger Pflanzenfasern, aber mehr Fleisch und Cholesterin. Die Theorie der Paleo-Befürworter, dass Milch und Getreide krank machten, sei hingegen nicht wissenschaftlich bewiesen, sagt David Fäh. «Die meisten Menschen vertragen Gluten und Laktose problemlos.»
Steffi Schlüchter, Ernährungsberaterin bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung, sagt, der strikte Verzicht auf Milchprodukte erschwere die Versorgung mit Kalzium. Das wirke sich negativ auf die Knochen- und Zahngesundheit aus. Schlüchter rät Eltern davon ab, Kinder mit Paleo zu ernähren: «Eine so einschränkende Diät kann bei Kindern Wachstumsstörungen hervorrufen.»
Der deutsche Ernährungsberater Nicolai Worm empfahl selber vor 15 Jahren die Paleo-Diät. Inzwischen überzeugen ihn die Argumente der Kritiker. Worm sagt, eine einheitliche Steinzeitkost habe es nie gegeben. Zwar könne man abnehmen, wenn man auf Weissbrot und gezuckerte Getränke verzichtet: «Abnehmen würde aber auch mit Milchprodukten und Hülsenfrüchten sehr gut gelingen.»
Gene haben sich seit der Steinzeit verändert
Die Ernährungswissenschafter Alexander Ströhle und Andreas Hahn schreiben in der neusten Ausgabe der «Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin», es stimme nicht, dass die menschlichen Gene immer noch an die Nahrung der Steinzeit angepasst seien. Seit dem Aufkommen des Ackerbaus hätten sich unsere Gene «erheblich verändert». Auch in einer Strassenumfrage des Gesundheitstipp äusserten sich viele Passanten kritisch zur Diät (siehe unten).
Zur Kritik der Fachleute entgegnet Romy Dollé, zur Paleo-Ernährung gehörten neben rotem Fleisch verschiedene tierische Produkte und viel Gemüse. Dieses enthalte mehr Nahrungsfasern als Getreide. Kalzium könne man nicht nur mit Milch, sondern auch mit Nüssen und gewissen Gemüsesorten wie Spinat und Broccoli aufnehmen. Die Paleo-Ernährung sei für Kinder gesund, weil sie keine künstlichen Aromen und Farbstoffe enthalte.
Nico Richter räumt ein, dass sich Menschen an Getreide und Milch gewöhnt haben. Dennoch hätten viele Leute Probleme mit Stoffen wie Gluten und Laktose. Richter behauptet, Kinder würden mit Paleo alle wichtigen Nährstoffe erhalten. Er habe aber nichts dagegen, wenn Eltern ihren Kindern Milchprodukte geben. Es sei nicht wichtig, dass Kinder die Paleo-Diät strikt einhalten. Paleo sei keine kohlenhydratarme Diät, denn mit stärkehaltigem Gemüse und Obst könne man viele Kohlenhydrate aufnehmen.
Umfrage: Was halten Sie von der Paleo-Diät?
Esther Greco (39), Dübendorf ZH
«Die Paleo-Ernährung wäre nichts für mich. Alles, was extrem ist, finde ich nicht gut. Für mich ist eine ausgewogene Ernährung wichtig. Übergewichtige sollten das Problem auf allen Ebenen angehen und mehr Sport treiben.»
Peter Ramseier (61), Eglisau ZH
«Wenn ich abnehmen will, mache ich keine Diät, sondern esse weniger und bewege mich mehr. Zudem verzichte ich auf Süssigkeiten und Wein. Das funktioniert bei mir gut: So habe ich in zwei Monaten rund fünf Kilo abgenommen.»
Margrit Burkhalter (62), Wernetshausen ZH
«Ich halte nichts von der Paleo-Diät. Ich möchte nicht jeden Tag Fleisch essen – ein- bis zweimal pro Woche genügt mir. Und auf Milch- und Getreideprodukte möchte ich nie verzichten.»
Anja Bärtschi (27), Thalwil ZH
«Strenge Diäten sind nicht der richtige Ansatz. Wenn man abnehmen will, sollte man nicht bestimmte Lebensmittel weglassen, sondern kleinere Portionen schöpfen und nicht zwischendurch etwas essen.»
Henry Gerber (52), Zürich
«Ich finde es gut, dass die Paleo-Anhänger keine Fertigprodukte essen. Denn diese Waren enthalten viel Chemie. Eine solche Ernährung können sich aber nur wenige leisten. Bio ist teuer.»