Essen war für Nadine Pulver jahrelang ein Kampf gegen die Waage. Sie probierte immer wieder neue Diäten aus – bis sie in eine Essstörung rutschte. «Mein Gewicht war ein ewiges Auf und Ab», sagt die 43-Jährige aus Zürich. Vor zwei Jahren hörte sie auf mit den Diäten. Seither ernährt sie sich nach einem neuen Konzept – der sogenannten «intuitiven Ernährung». Nun ist ihr Gewicht stabil und sie hat keine Fressattacken mehr. Das sei ein Erfolg, sagt sie.
Die Vorgabe: Man sollte nur essen, wenn man ein deutliches Hungergefühl spürt. Doch dann darf man alles essen, worauf man Lust hat – bis man satt ist. Kein Lebensmittel ist verboten, keine Portion zu gross. Denn der Körper weiss selbst am besten, was ihm guttut.
Essverhalten ist auch durch Erziehung geprägt
Geprägt hat diese Essmethode der deutsche Ernährungswissenschafter und Buchautor Uwe Knop. Mit dem intuitiven Essen will Knop das Vertrauen in den eigenen Körper stärken. Wichtig sei nicht, was wir essen, sondern, dass wir uns dabei gut fühlen.
Andere Fachleute sehen den Trend kritisch. Präventivmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule sagt, in unserer Kultur sei Essen ja fast immer und überall verfügbar: «Das ist verführerisch.» Gibt man seiner Lust nach, isst man zu häufig und zu viel. Das führe dazu, dass man Hunger kaum noch spüre. Komme dazu, so Fäh: «Das Essverhalten ist auch durch die Erziehung geprägt.» Wenn Eltern ihren Kindern beispielsweise befehlen, den Teller leer zu essen, dann werden sie als Erwachsene das meist auch so halten. Selbst wenn sie schon satt sind.
Viele, die sich intuitiv ernähren möchten, haben schon einige Diäten hinter sich. Diese beeinflussen das Essverhalten und die Intuition nachhaltig. Fäh: «Antrainierte Muster loszuwerden ist schwierig.» Verzichtete man zum Beispiel jahrelang abends auf Kohlenhydrate, wird man sich die Lust auf Spaghetti zum Znacht kaum eingestehen.
Für Fäh ist die intuitive Ernährung nur eine Diät unter vielen. Zudem fehle der Beweis, dass sie Vorteile für die Gesundheit oder das Gewicht habe. Eine finnische Studie kommt zum Schluss, dass Diäten langfristig schaden können. Die Forscher befragten 4000 Frauen und Männer im Abstand von zehn Jahren zu ihrem Essverhalten. Dabei zeigte sich: Wer nie eine Diät gemacht hat und regelmässig isst, hält sein Gewicht am besten.
Essen kann auch eine Sucht sein: Das stellte ein europäisches Forscherteam fest. Es hatte mehrere Studien geprüft und zog den Schluss, dass Essen sich zum zwanghaften Verhalten mit Kontrollverlust entwickeln kann, vergleichbar mit Spielsucht. Es sind also nicht Zucker oder Fett, die die Sucht auslösen, sondern das Gefühl, essen zu müssen.
Für ein gesundes Gewicht müsse man der Intuition deshalb manchmal widerstehen, sagt Fäh. Und: «Einzig die Kalorienbilanz zählt.» Zudem empfiehlt der Präventivmediziner, wenig verarbeitete Lebensmittel zu essen, zwischen den Mahlzeiten Pausen von mehreren Stunden einzuhalten und sich viel zu bewegen.
Uwe Knop sagt, es gebe für viele Regeln in der Ernährung keine Beweise. Der deutsche Wissenschafter denkt, dass der Körper einem sagt, was er braucht. Diese Intuition könne zwar durch früheres Essverhalten geprägt sein. «Aber man kann lernen, wieder auf den Körper zu hören.» Intuitive Ernährung sei keine Diät. Denn es gehe nicht darum, Gewicht zu verlieren. Viel wichtiger sei es, sein Wohlfühlgewicht zu finden und zu halten. Auch das Überangebot an Essen ist für Knop nicht problematisch: «Wir sind keine Fresszombies und essen alles, was uns in den Weg kommt.» Wichtig sei, sich satt zu essen. Sonst gebe man den Versuchungen eher nach.
Tipps: So halten Sie Ihr Gewicht
Füllen Sie den Magen mit Früchten und Gemüse. Sie sollten etwa die Hälfte der Portion ausmachen.
Essen Sie wenig Fleisch und Wurstwaren.
Kochen Sie nur so viel, dass Sie satt werden.
Nehmen Sie sich für jede Mahlzeit mindestens 20 Minuten Zeit und legen Sie die Gabel zwischendurch mal ab.
Machen Sie eine Pause, bevor Sie nachschöpfen.
Essen Sie nicht im Stehen oder beim Gehen.
Verzichten Sie auf Zwischenmahlzeiten.
Lenken Sie sich beim Essen nicht mit TV oder Lesen ab.
Essen Sie aus kleinen Tellern.
Verzichten Sie auf kalorienhaltige Getränke wie Limonaden.
Trinken Sie wenig Alkohol.