Wenn ich an der Sonne bin, kribbelt die Haut zuerst unangenehm. Mit der Zeit brennt sie von innen. Es fühlt sich an, wie wenn mich Tausende Ameisen beissen würden. Am anfälligsten sind meine Hände, die Füsse und mein Gesicht. Dort spüre ich es immer am schnellsten.
Eigentlich ist der Sommer meine Lieblingsjahreszeit. Ich habe es gerne warm. Wirklich geniessen kann ich es aber nicht. Denn der Sommer ist auch die Zeit, in der ich am meisten leide. Ich bin lichtempfindlich und darf nicht an die Sonne. Ich habe eine Stoffwechselkrankheit: In meinem Blut bildet sich ein Stoff, der auf Licht empfindlich ist (siehe Kasten). Leider bringt Sonnencreme nichts und auch Kleider schützen mich nicht immer. Wenn es mich richtig erwischt, sind die Schmerzen so stark, dass ich mich ein bis drei Tage im Haus erholen muss. Dann ertrage ich keine Berührung. Auch Schmerzmittel helfen nicht. Meist lenke ich mich mit Fernsehschauen ab. Für Erwachsene gibt es ein Medikament, das gegen die Krankheit hilft. Ich hoffe, ich bekomme es auch, wenn ich 18 Jahre alt bin.
Meiner Haut sieht man die Krankheit nicht an. Man sieht halt nichts, weil der Schmerz von innen kommt. Deswegen weiss ich nie so recht, ob mir die Leute glauben. Darum behalte ich es manchmal für mich, wenn es wehtut. Als ich fünf Jahre alt war, stellten die Ärzte die Diagnose. Zuvor hiess es oft, ich würde simulieren oder meine Eltern seien hysterisch. Meinen ersten Schub hatte ich mit drei Jahren. Das war in den Campingferien in Süditalien. Meine Eltern sagen, ich hätte mich damals immer im Zelt verkrochen und wild mit den Armen gefuchtelt.
In meiner Schule wissen sie Bescheid. Meine Klassenlehrerin schaut zu mir. Bei Ausflügen ist es aber trotzdem schwierig für mich. Ich muss dann immer im Schatten bleiben. Meine Freundinnen nehmen Rücksicht auf mich, aber sie gehen halt auch gerne mal nachmittags in die Sonne. Das kann ich schon verstehen. Nur kann ich dann nicht mit. In meiner Freizeit mache ich Luftakrobatik und tanze Hip-Hop. Ich habe vor sieben Jahren mit dem Tanzen angefangen. Jetzt mache ich mit meiner Gruppe an der Schweizermeisterschaft mit. Es ist super, auch weil die Wettkämpfe meist in der Halle sind.
Ich träume davon, mal so richtig zu sünnelen. Es muss sich toll anfühlen, in der Sonne zu liegen und diese Wärme zu spüren. Ich wäre auch gerne mal braun. Einmal habe ich einen Selbstbräuner ausprobiert. Aber das hat nicht richtig funktioniert.
Die Krankheit ist selten. In meiner Verwandtschaft hat sie sonst niemand. Nicht einmal mein Zwillingsbruder. Im Elsass gibt es zwei Mädchen in meinem Alter, die sie auch haben. Wir haben uns bisher zweimal getroffen. Es tut gut zu wissen, dass ich nicht die einzige bin. In den Sommerferien sehen wir uns wieder. Dann gehen wir für eine Woche in ein Ferienlager. Dort lerne ich dann noch andere betroffene Kinder aus ganz Europa kennen. Wir machen Ausflüge in abgedunkelten Bussen, gehen abends im See baden, besichtigen Höhlen oder kochen zusammen. Es ist schön, mal in einer Gruppe zu sein, in der ich alles mitmachen kann.
Wenn die Sonne schmerzt
Bei der Blutkrankheit Erythropoetische Protoporphyrie können Patienten den roten Blutfarbstoff nicht richtig herstellen. Ein Zwischenprodukt, das Protoporphyrin, lagert sich in den Blutgefässen ab. Es reagiert unter der Haut mit dem sichtbaren Licht und führt innerhalb von wenigen Minuten an der Sonne zu extrem schmerzhaften Verbrennungen in der Haut. Die Störung ist angeboren. Die Betroffenen versuchen, so gut es geht, dem Licht auszuweichen, was zu sozialer Isolation und schweren Depressionen führen kann.
Weitere Infos über die Krankheit gibt es bei der Gesellschaft für Porphyrie, Tel. 044 416 50 90 (nur montags und freitags).