Alle paar Jahre stürzte Theres Schmid (Name geändert) in ein tiefes Loch: «Ich war jeweils wie gelähmt, zu gar nichts mehr fähig.» Manchmal stand sie im Laden vor dem Regal und überlegte, ob sie eine oder zwei Packungen Teigwaren nehmen sollte. Schliesslich kaufte sie gar nichts: «Selbst bei so banalen Dingen konnte ich mich nicht entscheiden.»
Hinzu kamen Ängste. Sie traute sich nicht mehr, mit dem Bus oder Zug zu fahren. «Ich fühlte mich klein, wertlos und wollte nur noch sterben», erinnert sich die 55-Jährige. Stand sie auf einer Brücke, spürte sie den Sog, der sie in die Tiefe zog. Schmid leidet seit ihrer Jugend an einer chronischen Depression. Weder Pillen noch andere Therapien konnten sie vor dem nächsten Schub bewahren.
Doch jetzt gibts Hoffnung für diese Patienten. Der amerikanische Psychologieprofessor James McCullough entwickelte eine Psychotherapie für Menschen mit chronischen Depressionen. Der Name: Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy. In der Schweiz fasst diese Methode erst langsam Fuss.
Psychologin Batya Licht vom Sanatorium Kilchberg ZH arbeitet seit einigen Jahren damit. Ihr Fazit: «Es ist zurzeit die beste Therapie bei chronischen Depressionen.» Nach ein bis zwei Jahren gehe es den meisten Patienten besser – «und zwar dauerhaft». Dies hätten auch mehrere Studien nachgewiesen.
Patientin Schmid begann vor vier Jahren mit dieser Verhaltenstherapie. «Ich litt damals erneut an einer schweren Depression.» Keine der vorherigen Gesprächstherapien habe ihr so geholfen wie die neue Methode: «Endlich zeigte mir jemand einen konkreten Weg.»
McCulloughs Methode geht davon aus, dass die Patienten in ihrer Kindheit schlechte Erfahrungen mit Bezugspersonen machten, etwa mit den Eltern. Aufgrund dieser Prägung würden auch später die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht richtig funktionieren. Theres Schmid kam ihrem Problem bald auf die Spur: «Als Teenager erfuhr ich, dass mich meine Eltern erst nicht gewollt hatten.» Oft habe man sie als Jüngste nicht ernst genommen, ihre Gefühle hätten nichts gezählt. «Als Erwachsene traute ich meinen Gefühlen nicht mehr, wagte mich nicht zu wehren und machte mich selber klein.»
Mit einem «Drehbuch» neues Verhalten einüben
Hier setzt die eigentliche Therapie an. Patienten lernen, solche Denkmuster zu durchbrechen und üben neue Verhaltensweisen ein. Schmid: «Ich lernte, meine Gefühle und Wünsche klar zu formulieren, mit aufrechter Körperhaltung und ohne Angst, dass man mich ablehnt oder für unfreundlich hält.»
Um das zu erreichen, analysieren Patienten mit ihrem Therapeuten konkrete Situationen, z. B. ein Gespräch mit dem Chef. Was sie dabei gesagt, gedacht und getan haben und weshalb sie sich danach schlecht fühlten. Dann überlegen sie, wie es besser funktionieren könnte. Daraus entsteht so etwas wie ein Drehbuch, mit dem Patienten das neue Verhalten mit dem Therapeuten üben oder auch in Rollenspielen in der Gruppe.
Für Theres Schmid war dies ein voller Erfolg: Sie strotzt vor Energie und Lebensfreude. Allerdings habe sich ihr Umfeld daran gewöhnen müssen, dass sie nicht mehr zu allem einfach «Ja und Amen» sage.
Der Zürcher Psychiater Daniel Hell bestätigt: «Diese Therapie ist eine gut geprüfte Behandlung bei chronischen Depressionen.» Allerdings dürfe man sie nicht überschätzen. «Die relativ einfache Methode kann in kurzer Zeit kaum komplexe Probleme lösen.» Da sollten die Erwartungen «nicht zu hoch gesteckt sein», so Hell.
Bei Depressionen kommen noch andere Methoden der Psychotherapie zum Einsatz (siehe Tabelle). Die einen versuchen, im Gespräch unbewusste Konflikte ans Licht zu bringen und zu lösen, wie die Psychoanalyse nach Freud oder die Tiefenpsychologie von Jung.
Andere richten das Augenmerk auf die Beziehungen des Patienten zum Umfeld oder arbeiten mit Körperübungen. Alle Formen von Psychotherapie können Depressiven helfen – bei der Verhaltenstherapie ist der Nutzen allerdings am besten nachgewiesen. Wesentlich für den Therapie-Erfolg ist in jedem Fall ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Patient und Therapeut.
Bei schweren Depressionen braucht es oft zusätzlich Medikamente. Diese sollen die Stimmung aufhellen und Ängste mildern. Allerdings verursachen die Pillen oft Nebenwirkungen.
Informationen: So finden Sie einen Therapeuten
Anbieter der neuen Verhaltenstherapie finden Sie unter Cbasp-network.org % Therapeuten und Supervisoren.
Auch Kliniken bieten die Therapie an, zum Beispiel:
- Berner Psychiatriezentrum,Münsingen BE
- Psychiatrische Uniklinik Basel
- Klinik Königsfelden, Windisch AG
- Sanatorium Kilchberg, Kilchberg ZH
- Klinik Schlössli, Oetwil am See ZH
Beratungsstellen
Gratis-Merkblatt: «Depressionen bekämpfen»
Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen gegen ein frankiertes und adressiertes C5-Antwortcouvert bei:
Gesundheitstipp
«Depression»
Postfach 277
8024 Zürich