Annamaria Kübler (Name geändert) aus Jona SG erging es wie vielen Älteren: «Mein Zahnfleisch war über Jahre entzündet und blutete immer wieder», sagt die 76-Jährige. Sie ging zum Zahnarzt. Er gab ihr Kortison, aber es nützte nichts. Bei Parodontitis setzen sich Bakterien am Zahnbelag fest und entzünden das Zahnfleisch. Dieses zieht sich immer mehr zurück, löst sich vom Zahn und bildet Zahnfleischtaschen, gefüllt mit Bakterien. Im schlimmsten Fall fällt der Zahn aus. Für viele Patienten bleibt nur der Gang zum Zahnarzt.
Doch jetzt kommt heraus: Zahnärzte wenden Methoden an, bei denen unklar ist, ob sie nützen. Zu diesem Schluss kommt ein Bericht des deutschen Instituts für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Es prüfte die am häufigsten eingesetzten Therapien bei Parodontitis und schrieb im Vorbericht: Nur für das Reinigen der Zahnfleischtaschen gebe es gute Belege. Dabei entfernt die Dentalhygienikerin die Bakterien aus den Zahnfleischtaschen und die Beläge am Zahnhals.
In vielen Fällen lässt sich die Entzündung damit beseitigen. Gleichzeitig schult die Dentalhygienikerin den Patienten, wie er die Mundhygiene verbessern kann. Nur so ist gewährleistet, dass die Entzündung nicht wieder aufflammt.
Für andere Behandlungen, etwa mit Antibiotika, Lichttherapie oder Osteoplastik – das sind Operationen am Knochen – gibt es keine Hinweise, dass sie gut wirken (siehe Tabelle). Gesundheitstipp-Zahnarzt Peter Zuber bestätigt, dass das Reinigen der Zahntaschen am wichtigsten sei. In den letzten Jahren habe sich gezeigt, dass chirurgische Massnahmen zwar in Einzelfällen notwendig seien. «Dann sind die Zähne jedoch meist bereits stark geschädigt», sagt Zuber.
Im Zweifelsfall besser Zweitmeinung einholen
Irritierend: Vielen Zahnärzten ist bewusst, dass Wirkbelege für Therapien bei Parodontitis fehlen. Dies diskutierte vor zwei Jahren die Europäische Gesellschaft für Parodontologie. Unter den Teilnehmern war Anton Sculean, Direktor der Klinik für Parodontologie an der Uni Bern und im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Parodontologie. In der Mitgliederzeitschrift schieb er damals, viele «auch routinemässig durchgeführte Massnahmen sind durch keine bis nur sehr schwache Evidenz belegt».
Kein Wunder, beschweren sich immer wieder Patienten bei der Anlaufstelle SPO Patientenschutz. Deren Beraterin Maggie Reuter rät Patienten, eine zweite Meinung einzuholen, wenn die vorgeschlagene Behandlung nicht überzeuge. Selbst beim Reinigen der entzündeten Zahntaschen müsse man aufpassen. Diese Arbeit darf nur eine ausgebildete Dentalhygienikerin ausführen. «Wir haben Kenntnis davon», so Reuter, «dass Zahnärzte dies auch von Dental- oder Prophylaxe-Assistentinnen erledigen lassen.»
Patienten können selber dazu beitragen, Parodontitis zu vermeiden oder eine bestehende in Schach zu halten. So schadet Rauchen genauso wie Stress. Auch eine falsche Ernährung begünstigt das Leiden. Gut sind Gemüse und Früchte mit viel Vitamin C. Dazu gehören Broccoli, Rosenkohl oder Johannisbeeren. Nahrungsmittel mit Omega-3- Fettsäuren können entzündetes Zahnfleisch günstig beeinflussen. Sie sind in fettem Fisch wie Lachs sowie in Raps- oder Walnussöl enthalten.
Einen anderen Weg wählte Patientin Kübler. Auf Rat einer Bekannten cremte sie das Zahnfleisch mit einem Balsam aus Salbei und Kamille ein. «Nach mehreren Monaten war die Entzündung weg.» Damit das so bleibt, cremt Kübler ihr Zahnfleisch noch heute jeden Tag ein.
Eine zentrale Rolle spielt auch die Mundhygiene. Man sollte jeden Tag zwei- bis dreimal mal die Zähne putzen und die Zahnzwischenräume mit einen Bürstchen reinigen. So entfernt man den Zahnbelag, bevor er sich verhärten kann und Zahnstein bildet. Zudem sollte man jedes Jahr bei der Dentalhygienikerin den Zahnstein entfernen lassen.
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