Liebe heile alles, sagt Christina von Dreien: «Wer bedingungslos liebt, bekommt Selbstheilung automatisch dazu.» Mit einfachen Lebenshilfen aus dem Reich der Esoterik begeistert die 17-jährige Toggenburgerin ihre Fans. In Videoclips im Internet und in Büchern zeigt sie ihren Anhängern, wie sie die Welt verändern und retten will. Autorin der Bücher und ihr Coach ist ihre Mutter Bernadette. Von Ende Januar bis März tritt Christina von Dreien wieder in verschiedenen Städten auf. Ein Tagesseminar kostet 190 Franken.
Doch das angebliche Medium ist umstritten. Susanne Schaaf von der Beratungsstelle Infosekta kritisiert, Christina von Dreien werde von ihrer Mutter als «hellsichtiges Wesen gepusht». Bei der Sekten- und Religionsinformationsstelle der reformierten Kirche melden sich Menschen wegen des angeblich paranormalen Teenagers. Georg Schmid, Leiter der Stelle, sagt: «Zurzeit rufen bei uns jede Woche zwei bis drei Personen an.» Oft seien es Angehörige oder Nahestehende von Anhängern, die sich Sorgen machten.
Patienten zum Absetzen der Behandlung geraten
Pikant: Christina von Dreien gibt nicht nur Tipps fürs Leben – sondern auch medizinische. Schmid berichtet von Fällen, bei denen die 17-Jährige Patienten nahegelegt habe, eine schulmedizinische Behandlung abzusetzen. Schmid: «Da wird es heikel.»
Von solchen Fällen weiss auch Sektenexpertin Susanne Schaaf. Ein Angehöriger einer krebskranken Frau habe sich an Infosekta gewandt, weil ihr Christina von Dreien geraten hatte, die schulmedizinische Behandlung abzusetzen. «Die Frau hat die Empfehlung umgesetzt, weil sie die Teenagerin verehrt», berichtet Schaaf. «Das ist fatal.»
Die Mutter weist die Kritik zurück
Kritik an der Schulmedizin kommt auch aus von Dreiens Büchern. Im zweiten Buch über das Leben ihrer Tochter schreibt die Mutter: «Wie ich von Christina gelernt habe, ist das Entfernen von Organen oder Körperteilen aus energetischer Sicht immer mit einem Risiko verbunden.» Das gelte auch für das Entfernen von Rachenmandeln, Blinddarm oder Gebärmutter. Grund: Diese fehlten fortan im «Ätherkörper» – in esoterischer Vorstellung ein energetisches Abbild des Körpers. Sie würden deshalb auch bei einer Reinkarnation fehlen.
Bernadette von Dreien bestreitet, dass sie ihre Tochter instrumentalisiere. Christina sei dazu berufen, ihre Weisheiten und Impulse weiterzugeben. Es sei wie bei jeder anderen Hochbegabung, sagt die Mutter. «Sie darf gelebt werden, bevor man erwachsen ist.» Christina beantworte zudem keine privaten Fragen bezüglich der Behandlung von Krankheiten. Jeder Mensch sei selber verantwortlich, für welche Therapie er sich entscheide. Bernadette von Dreien sagt, sie habe keine Kenntnis von Fällen, bei denen ihre Tochter von Therapien abgeraten habe.
Das Phänomen Christina von Dreien ist inzwischen ein Geschäftsmodell: Im vergangenen April gründeten Mutter und Tochter die Christina von Dreien GmbH. Die Mutter ist Geschäftsleiterin, die Tochter hält alle Anteile. Die zwei Bände über das Leben des Teenagers belegten in der Jahresbestsellerliste des Schweizer Buchhandels die Plätze 15 und 16. Der Govinda-Verlag bezeichnet die Bücher auf Anfrage als «wunderbares Geschenk» für sein Geschäft. Zu den genauen Verkaufszahlen schweigt er.