Die Angst vor einer Attacke war immer da», berichtet Irene Buchmann aus Weisslingen ZH. Mit 20 Jahren hatte sie ihre erste Migräneattacke. Es begann mit verspanntem Nacken und einem Flimmern vor den Augen, dann kamen extrem starke Kopfschmerzen und das Erbrechen. Fortan litt sie jede Woche darunter. «Es war jeweils so schlimm, dass ich nicht mehr arbeiten konnte.»
Mit der Zeit merkte Buchmann, dass die Attacken stark mit ihrer Ernährung zusammenhingen. «Am schlimmsten waren Süssigkeiten auf leeren Magen», sagt sie. «Immer wenn ich an einem Nachmittag zu Tee und Kuchen eingeladen war, ging es mir danach schlecht.» Auch Alkohol vertrug sie nicht. Die 66-Jährige begann, auf diese Nahrungsmittel zu verzichten – und hatte Erfolg: «Die Attacken wurden seltener, bis sie vor wenigen Jahren ganz aufhörten.»
Lebensmittel sind ein möglicher Auslöser
Fachleute bestätigen, dass Lebensmittel Migräne auslösen können. Niklaus Meier, Migränespezialist am Universitätsspital Bern, weiss zum Beispiel aus der Praxis, dass einige seiner Patienten von Schokolade, Wein oder Käse einen Anfall bekommen. Meier rät ihnen, darauf zu verzichten.
Man könne aber allerdings nicht grundsätzlich von bestimmten Lebensmitteln abraten. «Jeder Patient reagiert anders», sagt Meier.
Wichtiger als das «Was» ist das «Wann»: «Migränepatienten sollten regelmässig essen», sagt die Ärztin Irene Barone-Kaganas, Migränespezialistin aus Basel. «Zu lange Pausen zwischen den Mahlzeiten können zur Unterzuckerung führen und Migräne auslösen.»
Neben der Ernährung zählen Stress, Sorgen, spätes Zubettgehen, Lärm, grelles Licht oder die Menstruation zu den bekanntesten Ursachen für Migräne.
Wer vorbeugen will, muss deshalb erst einmal herausfinden, was die Attacken auslöst. Dazu dient der Kopfwehkalender. Darin notieren Betroffene:
- wann die Schmerzen auftreten,
- wie lange sie anhalten,
- wie stark sie sind,
- welche Symptome die Attacke begleiten,
- welche Medikamente eingenommen werden,
- wann sie ihre Menstruation haben.
«Mit Hilfe des Kalenders können Patienten Auslöser besser erkennen und meiden», sagt Niklaus Meier.
Viele Betroffene profitieren auch von Ausdauersport. Denn er baut Stress ab – und Stress ist bekannt dafür, dass er Migräne auslöst. Irene Barone-Kaganas sagt: «Ob Joggen, Walken, Schwimmen oder Velofahren ist nicht so wichtig.» Entscheidend sei, dass man ins Schwitzen komme, weil das den Kreislauf in Schwung bringt.
Studie: Ausdauersport vermindert Attacken
Die Spezialistin empfiehlt, zwei- bis dreimal pro Woche ungefähr 30 Minuten lang zu trainieren. Barone-Kaganas warnt aber auch: «Ungeübte sollten es langsam angehen. Wer untrainiert sehr intensiv Sport treibt, riskiert eine Attacke.»
Dies belegt eine Studie der deutschen Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Die Forscher fanden heraus, dass Betroffene durchschnittlich eine Kopfschmerzattacke pro Monat weniger erleiden, wenn sie dreimal pro Woche
joggen.
Forscher der deutschen Universität Regensburg kamen in einer Übersichtsstudie ausserdem zum Schluss, dass regelmässiger Ausdauersport die Heftigkeit der Anfälle vermindere.
Um Attacken vorzubeugen, ist es auch wichtig, dass man sich entspannen kann. Das hilft Stress abbauen, löst verspannte Muskeln und verringert Ängste. «Entspannung ist für Migränepatienten besonders wichtig», sagt Peter Sandor, Migränespezialist an der Reha-Clinic in Baden AG.
Die deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt zum Beispiel die kognitive Verhaltenstherapie: Betroffene lernen, ihre Körpersignale in schwierigen Situationen besser wahrzunehmen und ihre Sorgen zu äussern. Denn Migräne ist oft ein Ventil für unterdrückte Sorgen und Ängste.
Gemäss Peter Sandor kann man sich auf verschiedene Arten entspannen. Wer sich gerne im Freien aufhält, kann also auch einfach in der Mittagspause eine halbe Stunde spazieren gehen. Wer bei kalten Temperaturen nicht gerne nach draussen geht, kann sich am Abend eine halbe Stunde vor eine Kerze setzen und versuchen, zur Ruhe zu kommen. Das Wichtigste sei, solche Entspannungsformen regelmässig zu pflegen, sagt Peter Sandor. Er empfiehlt: «Jeden Tag durchführen. Falls möglich eine halbe Stunde.»
Auch Akupunktur kann helfen
Allzu viel Entspannung kann allerdings auch problematisch sein. So ist etwa das Ausschlafen – für viele Menschen ein Sonntagsritual – ein möglicher Auslöser von Attacken. Diese Erfahrung machte zum Beispiel die 70-jährige Ursula Blaser aus Liebefeld BE: Seit ihrer Pubertät leidet sie an Migräne. «Als ich jung war, hatte ich alle drei Wochen eine schlimme Attacke.»
Irgendwann fand sie heraus, dass ihr Schlafrhythmus dabei eine wichtige Rolle spielte. «Wenn ich am Morgen im Bett liegen blieb und immer wieder leicht einnickte, hatte ich am nächsten Tag Migräne.» Heute steht sie immer gleich auf, nachdem sie erwacht ist – und hat inzwischen nur noch drei Anfälle pro Jahr.
Einigen Betroffenen hilft auch Akupunktur. Irene Buchmann hat damit ebenfalls gute Erfahrungen gemacht: «Weggebracht habe ich die Kopfschmerzen zwar nicht. Aber seither muss ich nicht mehr erbrechen.» Das sei eine grosse Erleichterung.
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Akupunktur vorbeugt. Forscher der Technischen Universität in München etwa analysierten verschiedene Studien und stellten fest: Nach drei bis vier Monaten Akupunktur-Therapie hatten Betroffene deutlich seltener Migräneanfälle als vorher.