Regula Gysel und Lutz Fischer sind frisch verliebt. 13 Jahre lang waren sie gute Freunde – bis es im vergangenen April endgültig funkte. Seither sind die 45-Jährige und der 56-Jährige aus Wettingen AG ein Paar. Sie sind glücklich, aber ihre Situation ist nicht immer einfach. Sowohl Gysel als auch Fischer haben Kinder von ihren ehemaligen Partnern. Zusammen bringen sie sieben Kinder in die Beziehung. «Wir haben uns sehr gern», sagt Gysel. «Aber beide kommen mit einem gefüllten Rucksack in die Beziehung.»
Die zwei sind auch beruflich eingespannt und haben einen grossen Freundeskreis. Lutz Fischer ist ausserdem politisch aktiv. Um sich als Paar zwischen all den Aufgaben und verschiedenen Ansprüchen nicht zu verlieren, haben sie sich für ein Coaching entschieden.
Verbesserung der Kommunikation wichtig
Auch Experten raten, bei schwierigen Konstellationen früh an der Beziehung zu arbeiten. Ein wichtiger Teil davon ist, die Kommunikation zu verbessern. Der Paar- und Familientherapeut Henri Guttmann aus Winterthur ZH sagt: «Die Fronten sollten sich nicht verhärten.» Wenn die Probleme noch nicht überhandnehmen, ist Coaching eine gute Option.
Eine Studie des Psychologieprofessors Guy Bodenmann der Universität Zürich mit rund 160 Schweizer Paaren bestätigte im Jahr 2017 den Erfolg. Die Paare, die sich unter Anleitung eines Coaches miteinander auseinandersetzten, waren zufriedener mit ihrer Beziehung als Paare, die darauf verzichteten. Der Effekt stellte sich bereits nach acht bis zwölf Sitzungen ein.
Oft geht es um einfache Verhaltensänderungen. Vor fünf Jahren kam eine deutsche Studie zum Schluss, dass eine solche Verhaltenstherapie genauso wirkungsvoll ist wie eine eigentliche Paartherapie. Die Forscher hatten 2700 Paare miteinander verglichen. Lutz Fischer hatte früher Hemmungen, für seine Bedürfnisse einzustehen: «Ich wollte alle Erwartungen erfüllen.» Interessenkonflikte habe er lieber nicht angesprochen.
Regula Gysel: «Ich finde gut, wenn er sagt, was er will.» Sie sieht es als Zeichen des Vertrauens. Wenn sie Terminkollisionen haben, teilen sie sich das nun frühzeitig mit. Wichtig sei zudem, zu akzeptieren, dass man gewisse Dinge nicht ändern kann. «Lutz hat einen sehr vollen Kalender», sagt Gysel. Zu Beginn hatte sie Angst, in seinem Leben keinen Platz zu haben. «Er ist ein wahnsinnig engagierter Mensch. Das schätze ich heute an ihm.» «Niemand ist perfekt», sagt Henri Guttmann.
Wer vom Partner Perfektion erwarte, werde immer enttäuscht. Besser sei es, wie Gysel den Fokus auf etwas Positives zu richten. «Dann hat die Beziehung gute Chancen», so Guttmann. Das Coaching hilft beiden, das Schöne in ihrer Beziehung nicht aus den Augen zu verlieren. Lutz Fischer sagt: «Wir sind lebensfrohe Menschen.» Das wollen sie sich erhalten. Wenn sie Zeit füreinander haben, gehen sie gern in der Natur spazieren. «Wir sind uns sehr ähnlich und haben uns viel zu erzählen», sagt Gysel.
Gysel und Fischer fühlen sich bei ihrem Coach in guten Händen. Das ist nicht selbstverständlich. Die Coachingszene ist gross und unübersichtlich. Viele Coaches haben ihr Diplom nur in einem Wochenendkurs erworben. Gute Anlaufstellen für ein Paarcoaching sind Psychotherapeuten. Sie bieten in ihrer Praxis oft auch Beratungen für Paare an. Auf der Internetseite der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen findet man eine Liste mit qualifizierten Fachleuten.
Im Suchfenster kann man seinen Wohnort und das Schlüsselwort «Paar» oder «Beziehung» eingeben. Da die Paarberatung nicht von der Grundversicherung gedeckt ist, gibt es keine einheitlichen Tarife. Fachleute sind bei der Preisgestaltung frei.
Auch Kantone und Kirchen beraten
Paare Eine gute Alternative sind kantonale oder kirchliche Beratungsstellen. Dort arbeiten meist ausgebildete Psychotherapeuten und Sozialarbeiter. Der Vorteil: Der Tarif bemisst sich am steuerbaren Einkommen. So können sich auch Leute mit kleinerem Budget eine Paarberatung leisten.
Bei einem steuerbaren Jahreseinkommen von 75000 Franken kostet eine Sitzung im Kanton Zürich 140 Franken. Wichtig ist auch, dass man sich mit dem Coach gut versteht. Henri Guttmann: «Die Fachperson sollte einem auf Augenhöhe begegnen und nicht belehren.» Fortschritte sollten sich laut Guttmann bereits nach fünf Sitzungen bemerkbar machen. «Sonst passiert auch in 30 Stunden nichts.»
Wissenswertes zum Paarcoaching
- Informieren Sie sich über die Ausbildung des Coaches. Ein abgeschlossenes Psychologiestudium ist ein gutes Zeichen.
- Vereinbaren Sie ein unverbindliches Erstgespräch.
- Buchen Sie weitere Sitzungen nur, wenn Sie sich bei einem Coach wohlfühlen.
- Sie sind nicht verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Stunden zu nehmen.
- Ungefähr nach fünf Sitzungen sollten Sie bereits eine klare Veränderung bemerken. Wenn nicht, sollten Sie den Coach wechseln.
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