Die «biologische Chemotherapie» – so preist Irene Siegl den Wirkstoff Artesunat auf ihrer Website an. Die Heilpraktikerin aus Meggen LU will mit der Substanz aus der Beifusspflanze Krebs natürlich behandeln. Es gebe in den USA «Zigtausende Krebspatienten», die es mit ihrer empfohlenen Methode geschafft hätten, den Krebs «komplett» zu besiegen. Weil Siegl die Infusionen nicht selber legen darf, arbeitet sie, so schreibt sie, mit einem Luzerner Arzt zusammen. Artesunat ist ursprünglich ein Mittel gegen Malaria.
Experten sind skeptisch. Teelke Beck, Ärztin für Brustkrebs in Richterswil ZH, findet es unseriös, Artesunat als Krebstherapie zu vermarkten: «Das entbehrt jeglicher Grundlage.» Auch Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser rät ab: «Artesunat hat man bisher nur vereinzelt an Menschen getestet. Die meisten Resultate stammen von Tests mit Zellkulturen oder mit Tieren.» Man wisse nicht einmal, bei welchen Krebsformen es tatsächlich wirke, geschweige denn, in welcher Dosis man das Mittel einsetzen solle.
Thomas Efferth vom Pharmazeutischen Institut der Universität Mainz (D) forscht schon seit Jahren, ob Artesunat gegen Krebs wirkt. Im Fachblatt «Biochemical Pharmacology» kam er letztes Jahr zum Schluss: Artesunat zeige zwar einen Effekt gegen Krebszellen. Auch konnte das Mittel bei Patientinnen mit Brustkrebs das Voranschreiten des Tumors etwas verzögern. Doch das müsse man zuerst in grösseren Studien belegen.
Auch Etzel Gysling, Internist und Herausgeber des Fachblattes «Pharma-Kritik», schliesst aufgrund der bisherigen Studien zwar nicht aus, dass Artesunat ein gewisses Potenzial gegen Krebs besitzt. Um Patienten damit zu behandeln, reiche die Beweislage jedoch nicht aus. «Es ist fragwürdig, das Medikament ausserhalb von kontrollierten Studien einzusetzen», sagt Gysling.
Heilpraktikerin Siegl sagt, Artesunat könne gegen alle Krebsarten wirken. Patienten erhielten neben der Infusion mit Artesunat auch Tipps zur Ernährung. Sie würden entgiftet und entsäuert. Zudem werde das Immunsystem der Patienten wieder aufgebaut und sie würden hoch dosiertes Vitamin C in Infusionen bekommen. Den Namen des Arztes, der den Patienten die Infusionen legt, wollte Irene Siegl nicht nennen.