Den Knospen von Pflanzen soll eine ganz spezielle Kraft innewohnen. Im «Embryonalgewebe» der Pflanzen seien ganz besonders starke Wirkstoffe enthalten: Das sagen Anbieter von Knospen-Präparaten für die sogenannte Gemmotherapie. Die Mittel gibt es für rund 20 Franken als Mundspray in Apotheken und Drogerien zu kaufen. Die Präparate enthalten Extrakte aus den Knospen von Bergföhre, Hasel, Hagebutte und anderen Pflanzen. Sie würden «reinigend, ausleitend und regulierend wirken», schreibt Hersteller Spagyros auf seiner Website.
Ein Spagyros-Präparat hat kürzlich den Segen der Schweizer Arzneimittelbehörde Swissmedic erhalten: Sie hat das Mittel «Ribes nigrum» aus den Knospen der Schwarzen Johannisbeere zugelassen. Es soll gegen Heuschnupfen, Halsweh und Erkältung wirken.
Fachleute halten wenig von der Gemmotherapie. Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser sagt: «Die Theorie und die Heilversprechen sind haarsträubend.» Er rät von den Präparaten ab. Denn es gibt keine klinischen Studien, die nachweisen, dass die Gemmotherapie gegen bestimmte Krankheiten nützt. Zu diesem Schluss kam kürzlich die unabhängige Cochrane Collaboration in Österreich. Es gebe keine logische Erklärung, «wie und warum Stoffe, die pflanzliche Zellen wachsen lassen, die Gesundheit des Menschen fördern sollen», schreiben die Fachleute.
Resultate der Studien sind geheim
Das gilt auch für das Mittel mit Schwarzer Johannisbeere. Der Hersteller verweist auf Labortests sowie «umfangreiche Anwendungsbeobachtungen» durch Schweizer Ärzte. Die Resultate bleiben allerdings geheim. Martin Koradi, Fachmann für Pflanzenmedizin aus Winterthur ZH, sagt: «Das reicht nicht ansatzweise aus, um die weitreichenden Versprechen bezüglich Gemmotherapie zu belegen.»
Es könne auch am Gemisch von Alkohol und Glycerin liegen, weshalb der Spray gegen Halsweh zu nützen scheint. Zudem würden die Beschwerden in der Regel sowieso von selbst bessern, sagt Koradi.
Hersteller Spagyros schreibt, Arzneimittel müssten sich über Jahre beim Patienten bewähren – das sei der wichtigste Beweis, dass sie wirken würden. Die Gemmotherapie sei bereits Mitte des letzten Jahrhunderts sehr gut untersucht worden. Man könne davon ausgehen, dass Swissmedic Arzneimittel «nach sehr strengen Kriterien» bewerte.