Meine Tochter fragte mich kürzlich, warum ich eine Perücke im Schrank habe. Jessica ist sieben Jahre alt – zu jung, um alles zu verstehen. Später werde ich ihr aber erzählen, dass ich Krebs hatte, als sie in meinem Bauch war. In einem Fotobuch habe ich alles für sie aufgeschrieben.
Von der Chemotherapie bekam ich nicht nur Haarausfall, sondern leide bis heute an Langzeitschäden. Ist es kalt, werden meine Finger innert Minuten blau. Sie schmerzen, und ich habe das Gefühl, sie fallen ab. Darum trage ich oft Handschuhe mit integrierter Heizung. Auch mein Geschmackssinn hat sich verändert. So kann ich keinen grünen Salat mehr essen und kein Mineralwasser mehr trinken, weil es für mich stark metallisch schmeckt.
Ich hatte Lymphdrüsenkrebs. Das erfuhr ich, als ich im vierten Monat schwanger war. Vom Hals bis zur Leiste war ich voll mit Tumoren. Der grösste Tumor hatte den Durchmesser eines Apfels. Mein erster Gedanke war: Ich sterbe. Dann spielte ich alle Szenarien im Kopf durch. Das Wichtigste für mich war, dass mein Kind überlebt – egal, was mit mir passieren würde.
In der Gebärmutter war mein Kind gut geschützt. Dieser Gedanke beruhigte mich. Ich wollte die Chemo möglichst lange hinauszögern. Das habe ich tatsächlich bis nach der Geburt geschafft. Doch ich spürte den Krebs immer stärker: In der Nacht schwitzte ich jeweils extrem, und ich nahm während der Schwangerschaft 13 Ki-lo ab.
Trotzdem konnte ich mein Kind natürlich gebären. Das kostete mich sehr viel Kraft. Ich lag 21 Stunden lang in den Wehen und musste mich danach erst einmal zwei Wochen erholen. Kurz darauf fing die Chemotherapie an. Ich empfand sie besonders zu Beginn als schlimm und habe viel geweint. Wenn ich heute daran zurückdenke, schaudert es mich immer noch. Immerhin ist meine Krebsart nicht genetisch bedingt. So muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich den Krebs an meine Tochter vererben könnte.
Die Therapie nahm mir das erste halbe Jahr mit meiner Tochter. Ich konnte Jessica weder stillen noch hochheben, weil ich solche Schmerzen hatte. Meine ganze Kraft benötigte ich für die Chemo. Trotzdem habe ich zu meiner Tochter eine sehr starke Bindung. Ich habe das Gefühl, dass wir die guten Momente zwischen den Therapien intensiv aufgesaugt haben.
Nach einem halben Jahr erhielt ich dann den erlösenden Anruf vom Arzt. Er sagte: «Wir sind fertig mit der Chemo.» Ich habe vor Glück hemmungslos geheult. Ich habe keine Angst, dass der Krebs wiederkommt. Aber selbstverständlich ist das möglich. Ich gehe regelmässig zur Vorsorge und taste mich auch selbst ab. Zudem haben mein Mann und ich einen Notfallplan für den Fall, dass es wieder losgeht und ich ins Spital muss. Für unsere Tochter soll der Alltag dann so normal wie möglich weitergehen.
Krebs in der Schwangerschaft
Nur wenige Frauen erkranken während der Schwangerschaft an Krebs. 1 bis 2 von 1000 Schwangeren trifft es. Für Betroffene ist die Situation schwierig: Das Ungeborene könnte wegen der Therapie Schaden nehmen oder sogar sterben. Gleichzeitig ist die Mutter in Gefahr, wenn man nicht sofort mit der Therapie beginnt. Beim Entscheid spielt nicht nur die Krebsart eine Rolle, sondern auch, wie weit die Schwangerschaft fortgeschritten ist. Häufig eignet sich eine Operation. Ärzte verschreiben Chemotherapien oft erst nach dem vierten Monat, weil die Plazenta ab diesem Zeitpunkt vor den Medikamenten schützt.
Informationen und Beratung
- Krebsliga, Tel. 0800 11 88 11
- Schwangerschaftsberatungsstelle Appella, Tel. 044 273 06 60, info@appella.ch