Manchmal weiss Y. M. nicht, was mit ihr los ist. Dann hat die 33-Jährige das Gefühl, alle seien fies zu ihr. Jeder Spruch macht sie «hässig», jede Aussage nimmt sie persönlicher als sonst. «Dann muss ich mich zusammenreissen, damit ich meine Arbeitskollegen nicht anfahre», sagt die Churerin. Am Abend frage sie sich jeweils, warum gerade dieser Tag so schlimm gewesen sei. Doch drei Tage später löse sich das Rätsel auf: «Ich bekomme meine Mens – und alles ist vorbei.» Während den Tagen vor den Tagen sei sie emotional überempfindlich. Zudem machten sich auch körperliche Beschwerden bemerkbar, im Unterleib und auch in den Brüsten. «Ich fühle mich dann völlig machtlos», sagt M..
Viele Ärzte sagen bei solchen Beschwerden vor der Periode rasch, es handle sich um das prämenstruelle Syndrom (PMS). Jede dritte Frau im gebärfähigen Alter soll daran leiden. Rund 150 völlig unterschiedliche Symptome sollen dazu gehören, zum Beispiel Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Angstzustände, Müdigkeit, Heisshunger, Rückenschmerzen, Bauchweh, Verstopfung, Durchfall, Kopfweh oder Brüste, die schmerzen.
Riskant: Antidepressiva gegen Beschwerden
Frauenarzt Christian De Geyter vom Unispital Basel schiebt diese Beschwerden auf die Sexualhormone Östrogen und Progesteron ab. Sie regeln den Menstruationszyklus. De Geyter schreibt auf der Homepage, Frauen mit PMS würden übermässig empfindsam «auf die natürlichen Schwankungen des Hormonstoffwechsels des Menstruationszyklus» reagieren.
Der Arzt hat auch gleich die Lösung parat: Tabletten. So schreibt De Geyter, bei Beschwerden sei eine Möglichkeit, dass Frauen Hormone wie die Antibaby-Pille nehmen. Als «Therapie der Wahl bei PMS» empfiehlt er aber Antidepressiva, die die Stimmung aufhellen.
Dasselbe raten die Ärzte der Praxisgemeinschaft Woggon in Zürich. Im Wesentlichen seien Medikamente gegen Depressionen wirksam. Auch Hormone, die den Zyklus unterbrechen, würden die Symptome lindern, heisst es auf der Internetseite.
Doch andere Fachleute halten diese Therapien für übertrieben. Arzt und Pharmakritiker Etzel Gysling aus Wil SG rät von Antidepressiva und Hormonen gegen PMS ab. Studien zeigen, dass Arzneien bei PMS oft nutzlos sind: Bei fünf von zehn Patientinnen wirken Scheinmedikamente (Placebos) nämlich genauso gut. Und zwar nicht nur gegen seelische, sondern auch gegen körperliche Beschwerden.
Monika Bänninger, Homöopathin für Frauenheilkunde und Beraterin bei Appella in Zürich, kritisiert: «Einige Ärzte verschreiben Frauen bedenkenlos starke Medikamente gegen PMS.» Das sei riskant. Die Mittel würden den natürlichen Menstruationszyklus der Frauen durcheinanderbringen. Dazu kommen weitere Nebenwirkungen: Eine von sieben Frauen, die vor der Mens Antidepressiva nehmen, leidet unter Übelkeit und Müdigkeit. Dies ergab eine Studie des internationalen Netzwerks Cochrane mit über 4300 Frauen.
Sexualhormone: Keinen Einfluss auf die Laune
Die kanadische Neurologin Gillian Einstein von der Universität Toronto sagt zudem: «Die Diagnose PSM trifft auf die meisten Patientinnen nicht zu, trotz bestimmter Beschwerden.» Es gebe keine Beweise, dass die Sexualhormone die Stimmung der Frauen steuerten. Die Neurologin hat das in einer grossen Analyse von rund 650 Studien belegt.
In einer weiteren Studie kamen Einstein und ihr Forschungsteam zum Schluss: Die Sexualhormone haben keinen Einfluss darauf, ob die Frauen gut oder schlecht gelaunt sind. Ausschlaggebend sei, ob die Frauen ein Umfeld haben, das sie unterstützt, und ob sie sich allgemein körperlich gesund fühlen. Das Team hatte dazu während 42 Tagen täglich untersucht, wie viel Östrogen und Progesteron die Studienteilnehmerinnen im Urin hatten. Zudem fragten die Forscher die Frauen, wie sie sich privat, beruflich und körperlich fühlten.
Auch Arzt Etzel Gysling vermutet, dass viele der Betroffenen gar kein PMS hätten, sondern einfach zu Stimmungsschwankungen neigten. Das sei jedoch kein Frauenproblem, sondern komme auch unter Männern häufig vor. Gysling: «Doch bei Frauen ist es einfach, die Beschwerden den Hormonen zuzuschreiben.»
Das beobachtet auch Frauenärztin Lilian Saemann aus Solothurn immer wieder. «Patientinnen schieben ihre seelischen und körperlichen Probleme häufig auf die Menstruation», sagt sie. Die Mens eigne sich als Sündenbock, denn viele Frauen fänden das Blut eklig. Es sei nicht mit dem weiblichen Schönheitsideal vereinbar. «Körpersäfte passen offenbar nicht zu einem perfekt gestylten Frauenkörper», sagt die Frauenärztin. In solchen Fällen redet sie mehrmals mit den Patientinnen, um herauszufinden, was wirklich los ist.
Bruno Kägi von der Zürcher Praxisgemeinschaft Woggon sagt gegenüber dem Gesundheitstipp, die Empfehlungen für Antidepressiva würden nicht für alle PMS-Patientinnen gelten, sondern nur bei einer bestimmten Form von PMS. Dabei handle es sich um eine «schwerwiegende depressive Störung mit einer nicht unerheblichen Suizidgefahr». Betroffen seien 3 bis 8 Prozent aller Frauen. Die Symptome liessen sich mit Antidepressiva besser behandeln als mit Scheinmedikamenten, so Kägi. Der Basler Frauenarzt Christian De Geyter wollte sich zum Thema nicht äussern.
Tipps: So lindern Sie Beschwerden vor der Mens
- Reden Sie mit Freundinnen über Ihre Sorgen – dann finden Sie leichter eine Lösung.
- Machen Sie während der Arbeit Pausen. Gehen Sie kurz an die frische Luft und atmen Sie tief durch. Das beruhigt die Nerven.
- Schalten Sie in der Freizeit ab. Entspannungstechniken helfen.
- Gehen Sie spazieren, joggen oder fahren Sie Velo. Bewegung und Tageslicht sind gut fürs Gemüt und können bei Bauch- oder Rückenschmerzen gut tun.
- Legen Sie sich immer etwa zur gleichen Zeit schlafen.
- Essen Sie viel Gemüse und Vollkornprodukte. Meiden Sie allzu schwere Kost. Dann verdaut Ihr Magen die Nahrung leichter.
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