Bei Daniel Flury (62) aus Murgenthal AG riss bei einem Unfall die Sehne an der rechten Schulter. Er musste sich operieren lassen – in welchem Spital, konnte er selbst bestimmen. «Ich machte mir nicht viele Gedanken und wählte ein Spital in der Nähe meines Wohnorts», sagt Flury. Doch die Operation lief nicht wie geplant, die Wunde infizierte sich. Flury hatte jahrelang grosse Schmerzen und schluckte während Monaten Antibiotika. Acht Jahre später kann er den Arm kaum noch benutzen. Er sagt: «Ich hatte mich viel zu wenig mit der Wahl des Spitals beschäftigt.»
Patienten haben heute viele Möglichkeiten, sich über ein Spital zu informieren. Im Internet bieten zahlreiche Unternehmen und Organisationen Plattformen an, auf denen Patienten die Spitäler vergleichen können. Zum Beispiel Spitalfinder.ch, das vom Konsumentenforum und dem Krankenkassenverband Santésuisse betrieben wird. Oder das Portal Welchesspital.ch des Vereins Spitalvergleich Schweiz. Der Patient gibt auf solchen Websites an, welcher Operation er sich unterziehen muss. Die Plattform gibt dann an, welche Spitäler entsprechende Operationen durchführen, und bewertet sie.
Die meisten Plattformen stützen sich auf Zahlen des Vereins ANQ. Das ist ein Zusammenschluss von Krankenkassen, Spitälern und Behörden. Der ANQ erhebt Werte wie Anzahl der Wundinfektionen nach Operationen und die Patientenzufriedenheit in Spitälern. Die Portale verwenden oft auch Zahlen des Bundesamts für Gesundheit. Sie zeigen, wie viele Operationen ein Spital macht und wie viele Patienten danach sterben.
«Informationen führen in die Irre»
Der Berner Gesundheitsökonom Heinz Locher hat für den Gesundheitstipp die acht wichtigsten Portale verglichen (siehe Tabelle im PDF). Sein Fazit: Keines der Portale ist uneingeschränkt empfehlenswert. Auch andere Experten sind der Meinung, diese Vergleichsdienste seien nur bedingt nützlich. So sagt der Zürcher Herzchirurg Paul Vogt: «Die Informationen führen Patienten in die Irre.» Der Winterthurer Orthopäde Luzi Dubs rät Patienten, sich bei der Wahl des Spitals nicht nur auf solche Plattformen abzustützen, sondern sich auch bei anderen Quellen zu informieren (siehe Tipps).
Umstritten sind vor allem die Messgrössen, die anzeigen sollen, ob das Spital die betreffende Operation im Griff hat. Im Detail:
Fallzahlen: Mit Ausnahme von Anq.ch bewerten alle Portale die Spitäler nach einem einfachen Kriterium – der Zahl der Eingriffe. Experten sprechen von Fallzahlen. Je häufiger ein Spital eine bestimmte Operation durchführt, desto besser bewerten es die Vergleichsportale. Experten betrachten Fallzahlen aber kritisch. Studien zeigten zwar, dass Fallzahlen und Qualität zusammenhängen können. Ebenso wichtig ist aber, wie alt der Operateur ist, wie gut ausgebildet und spezialisiert er ist sowie welche Techniken und Implantate er verwendet. Josef E. Brandenberg, Präsident des Dachverbands der chirurgischen und invasiven Fachgesellschaften: «Ein Chirurg ist nicht besser, nur weil er viel operiert. Es gibt geschicktere und ungeschicktere Operateure.»
Sterblichkeit: Portale wie Spitalfinder.ch, Welches-spital.ch, Bag.admin.ch und Qm1.ch bewerten, wie viele Patienten nach einer Operation starben. Experten sprechen von «Mortalität». Gesundheitsökonom Heinz Locher sagt, diese Zahl nütze dem Patienten nicht viel. Denn sie berücksichtigt nicht, dass manche Spitäler Patienten behandeln, die durchschnittlich schwerer krank sind. So würden an einem Unispital nach einer Operation im Durchschnitt mehr Patienten sterben als an einem Regionalspital, sagt Locher. «Nicht weil das Unispital schlechter arbeitet, sondern weil seine Patienten schwerer krank und die Operationen komplizierter sind.»
Erfolg der Operation: Keines der Portale erfasst in seinen Vergleichen den Erfolg einer bestimmten Operation. Das erstaunt selbst Experten. Für Gesundheitsökonom Locher ist klar: «Für den Patienten wären diese Angaben sehr wichtig.» In Deutschland beispielsweise sei dies anders: «Manche Kliniken geben genau an, wie viel Prozent ihrer Patienten nach einer Prostata-Operation keinen Urin verlieren – und wie hoch dieser Wert im landesweiten Durchschnitt nach einer solchen Operation ist.»
Quellen der Informationen: Auch die Quellen der Angaben zu den Operationen sind umstritten. Der Verein ANQ und das Bundesamt für Gesundheit verwenden Zahlen, die ihnen die Spitäler zur Verfügung stellen. Eine unabhängige Stelle, welche die Daten erfasst und überprüft, gibt es nicht.
Bedienerfreundlichkeit: Auch die Darstellung und Übersichtlichkeit lässt bei einigen Portalen zu wünschen übrig. Dies gilt vor allem für Qm1.ch, Spitalinformation.ch, die Portale von ANQ sowie des Bundesamts für Gesundheit. Die Plattform des Vergleichsdienstes Comparis ist zudem lückenhaft, es fehlen Bewertungen von vielen Spitälern und Operationen.
Für Heinz Locher ist klar: Spital-Vergleichsdienste können nicht feststellen, welches das beste Spital ist. «Aber sie können einen Hinweis geben, welches Spital man besser nicht wählen sollte.» Ein schlechtes Zeichen sei etwa, wenn ein Spital sehr hohe Werte bei Druckgeschwüren durch langes Liegen und Wundinfektionen habe und wenn sich viele Patienten nochmals behandeln lassen müssten.
Regula Heller vom Verein ANQ schreibt dem Gesundheitstipp, die veröffentlichten Zahlen würden die Spitäler zwar selber erheben, sie würden aber stichprobenweise von «unabhängigen Instituten geprüft». Wenn die Datenqualität bei Spitälern kritisch sei, deklariere dies ANQ. Das Bundesamt für Gesundheit sagt, die Fallzahlen zeigten, welche Erfahrung ein Spital mit einem Eingriff habe. Für Qm1.ch ist es «nicht ausgeschlossen», dass vereinzelte Zahlen zu den Komplikationsraten «falsch erhoben» worden seien. Man wolle in Zukunft berücksichtigen, wie schwer krank die Patienten vor der Operation waren, Santésuisse schreibt, Fallzahlen, Wundinfekte oder Anzahl Stürze würden den Patienten eine «sehr gute Orientierungshilfe» geben. Welches-spital.ch, Qualicheck.ch und Spitalinformation.ch räumen ein, dass Fallzahlen nur einer von mehreren Faktoren seien, um die Qualität eines Spitals zu beschreiben. Der Verein H+ hält fest, die Sterblichkeit dürfte man «nicht als alleiniges Qualitätsmerkmal» betrachten. Comparis erklärt die Lücken seines Portals so: Es werde erst dann eine Bewertung angezeigt, wenn sich mindestens zehn Benutzer geäussert hätten.
Tipps: So wählen Sie das richtige Spital
- Klären Sie beim Hausarzt oder einem zweiten Arzt ab, ob die Operation nötig ist.
- Verlassen Sie sich nicht nur auf einen Vergleichsdienst im Internet.
- Erkundigen Sie sich bei Ihrem Hausarzt: Er kennt die Spitalberichte seiner Patienten.
- Holen Sie allenfalls eine Zweitmeinung zum Spital ein. Wenden Sie sich dazu an einen Arzt, der in einem anderen Kanton praktiziert und keine berufliche Verbindung zu diesem Spital hat. Patientenstellen können weiterhelfen. Adressen: Patientenstelle.ch oder Tel. 0900 104 13, (Fr. 2.20/Minute).
- Bereiten Sie sich gut auf das Gespräch mit dem Chirurgen vor und fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstehen.
- Lassen Sie sich nur von einem Arzt operieren, dem Sie vertrauen.