Agnes Mattle war kurz nach fünfzig, als sie in die Wechseljahre kam. Die heute 64-jährige Naturheilpraktikerin aus Winterthur ZH litt unter Stimmungsschwankungen: «Ich vertrug nichts mehr, war nervös und überempfindlich.» Sie hatte auch oft keinen Appetit und verlor an Gewicht. Trotzdem war für sie klar: «Ich will keine Hormone nehmen.» Denn sie erhöhen das Risiko für Gefässverschlüsse in den Venen, für Herzinfarkt und Schlaganfall. Nimmt man sie jahrelang, können sie zudem Brustkrebs fördern.
Pharmaindustrie verspricht zu viel
Die Pharmaindustrie, Ärzte und Apotheker versprechen Frauen wie Agnes Mattle eine scheinbar harmlose Alternative: sogenannt «natürliche» oder «bioidentische» Hormone. Sie enthalten Wirkstoffe wie Estradiol und Progesteron, die angeblich den körpereigenen Geschlechtshormonen der Frau entsprechen. Es gibt sie als Fertigpräparate wie Femoston, Oestrogel oder Utrogestan. Apotheken mischen solche Cremes auch auf Rezept.
Die Zürcher Praxisgemeinschaft Dr. Schmit preist diese Hormone auf ihrer Website als «natürlich» und «gesund» an. Sie hätten keine Nebenwirkungen. Laut der Website des Frauenarztes Peter Dörffler aus Affoltern am Albis ZH würden sie das Risiko für Brustkrebs und Blutgerinnsel nicht erhöhen. Sie sollen ein wahrer Jungbrunnen sein: Frauen fühlten sich «wieder jünger und frischer», verspricht der Arzt.
«Nicht gleich wie körpereigene Hormone»
Doch solche Hormone sind nicht besser. Denn Pharmafirmen stellen auch sie synthetisch her: Inhaltsstoffe aus Pflanzen wie Yams oder Soja werden isoliert und chemisch verändert. Der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser von der deutschen Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm» sagt: «Sie sind nicht vollkommen gleich wie körpereigene Hormone.»
Die US-Arzneimittelbehörde anerkennt den Begriff «bioidentisch» nicht. Er sei reine Werbung und täusche vor, dass diese Hormone besser wirken und Frauen sie besser vertragen. «Gute Studien, die beweisen, dass sie weniger riskant sind, gibt es nicht», sagt Becker-Brüser. Frauenärztin Rut Mellenthin aus Solothurn bestätigt: «Es gibt ebenfalls Nebenwirkungen.»
Noch immer gilt: Frauen sollten nur dann Hormone nehmen, wenn sie starke Wechseljahrbeschwerden haben und darunter leiden. Zu diesem Schluss kam auch der deutsche Pharmakologe Bernd Mühlbauer in der Fachzeitschrift «Arzneiverordnung in der Praxis». Er empfiehlt «eine möglichst niedrig dosierte und möglichst kurze Behandlung». Das heisst: nicht länger als ein bis zwei Jahre.
Frauenärztin Rut Mellenthin verschreibt Hormone «eher selten» – vor allem dann, wenn der Leidensdruck der Patientin gross ist und andere Methoden nicht helfen. Sie empfiehlt stattdessen meistens homöopathische Globuli oder Pflanzenmittel wie Traubensilberkerze oder Yamswurzel-Tinktur. Wichtig sei zudem, den Stress zu reduzieren, genügend zu schlafen und die Wechseljahre zu akzeptieren.
Studien zeigten, dass sich auch mit Akupunktur gute Erfolge erzielen lassen. Der 64-jährigen Silvia Aebi aus Sirnach TG half das Kneippen. «In den Wechseljahren schlief ich nicht mehr so gut», erinnert sie sich. Deshalb habe sie jeden Abend eine kalte Bauchwaschung nach Kneipp gemacht. «Das half mir sehr gut.»
Kräuter und Öl als sanfte Alternative
Auch Agnes Mattle kam ohne Hormone durch die Wechseljahre. Sie hatte mit einer Heilpflanzen-tinktur Erfolg. Sie besteht zu gleichen Teilen aus Johanniskraut, Salbei, Traubensilberkerze, Hopfen und Schafgarbe. Fast zwei Jahre lang – mit kurzen Unterbrüchen –nahm sie die Tropfen ein. «Danach ging es mir wieder gut.» Ihre Erfahrung zeigt zudem, dass Heublumenwickel oder Bäder mit Melissen- und Lavendelöl Wechseljahrbeschwerden lindern können.
Kerstin Schmit von der Praxisgemeinschaft Dr. Schmit sagt, die Hormontherapie werde in ihrer Praxis bei Tausenden von Patientinnen seit Jahren erfolgreich durchgeführt. Sie verweist auf eine Studie mit über 80000 Patientinnen aus Frankreich und England. Die Untersuchung habe nachgewiesen, dass das Brustkrebsrisiko durch solche Hormone nicht ansteige. Über andere Risiken gab diese Studie allerdings keine Auskunft.
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