Claudia Sax Steffen war mit ihrem dritten Kind schwanger, und für sie war klar: Danach wollte sie sich unterbinden lassen. Als sie erfuhr, dass die Ärzte diesen Eingriff bei einem Kaiserschnitt gleichzeitig machen können, entschied sie sich zur Operation.
Die 37-jährige Zürcherin erinnert sich: «Ich hielt den Kaiserschnitt für bequem.» Doch nach der Operation fühlte sich Sax Steffen schlecht, hatte Schmerzen: «Als würde mir jemand mit einem Messer in den Bauch stechen.» Es dauerte zwei Monate, bis sie sich vollständig erholt hatte.
Claudia Sax Steffen hatte ihre anderen zwei Kinder natürlich geboren. Zwar hatten sich die Wehen bei der ersten Geburt zwei Tage hingezogen. «Aber zwei Wochen nach der Geburt von Mia fühlte ich mich wieder fit», sagt Sax Steffen.
Und: «Der Kaiserschnitt war die belastendere Geburt. Ich hatte die Schmerzen total unterschätzt.» Auch Marcia Reumer aus Siebnen SZ machte keine guten Erfahrungen mit dem Kaiserschnitt: «Ich hatte monatelang Schmerzen.» Andere Frauen berichteten Ähnliches (siehe unten).
Grössere Risiken für Kaiserschnitt-Babys
Zwar bringen immer mehr Frauen ihre Babys per Operation zu Welt. 2010 war jede dritte Geburt in der Schweiz ein Kaiserschnitt, in privaten Spitälern waren es gar 40 Prozent. Zum Vergleich: Ende der 90er-Jahre war nur jede fünfte Geburt ein Kaiserschnitt.
Doch nun decken immer mehr Studien auf: Der Kaiserschnitt ist weder einfacher noch sicherer als eine normale Geburt. Nicht nur die Kinder haben grössere Risiken für die Gesundheit – wie Atemprobleme nach der Geburt, später Diabetes und Asthma.
Auch die Mütter leiden: Die Ärzte schneiden und reissen Haut- und Muskelschichten auseinander, verschieben Organe und trennen schliesslich die Gebärmutter auf. Frauen müssen im Schnitt drei Tage länger im Spital bleiben und wegen Folgeproblemen öfter noch einmal ins Spital.
Darüber hinaus haben sie bei weiteren Schwangerschaften und Geburten häufiger Komplikationen. Zudem spüren Frauen auch ohne Komplikationen oft mehrere Monate die Folgen des Schnitts:
- Der Bauch schmerzt, es fehlt die Kraft, das Baby aufzunehmen.
- Die Schmerzen erschweren das Stillen.
- Die Wunden heilen langsamer als bei der natürlichen Geburt.
- Bauch und Gebärmutter bilden sich langsamer zurück.
- Der Bereich um die Narbe und die Scheide kann lange gefühllos sein.
Mathias Fehr, Chefarzt der Frauenklinik im Spital Frauenfeld, sagt: «Nach einer natürlichen Geburt fühlt sich die Frau gesund – nach einem Kaiserschnitt ist sie krank.»
Frauen sind oft auch seelisch belastet
Oft sind Frauen nach der Operation nicht nur körperlich angeschlagen, sondern auch seelisch. Die Basler Hebamme Sandra Aeby erlebt das immer wieder: «Viele Frauen leiden darunter, dass sie ihr Kind nicht ‹richtig› geboren haben.»
So wie die 32-jährige Judith von Wyl aus Stans NW. Zwei Wochen nach dem errechneten Termin machte sich ihr Baby – trotz Wehentropf – nicht auf den Weg. Schliesslich rieten die Ärzte zur Operation.
Die junge Mutter erholte sich nur langsam. Sie hatte nicht nur Schmerzen, sondern war auch bedrückt, weil sie ihr Baby nach der Geburt nicht sofort in die Arme schliessen konnte: «Ich war mehrere Monate erschöpft und traurig.»
Ohne Zweifel kann ein Kaiserschnitt Leben retten, etwa, wenn der Mutterkuchen vor dem Ausgang der Gebärmutter liegt. Das passiert aber bei weniger als einer von 200 Schwangerschaften. Auch kann der Eingriff nötig sein, weil der Kopf des Kindes zu gross ist, um durchs Becken zu rutschen.
Fachfrauen kritisieren jedoch: Oft schieben Ärzte medizinische Gründe nur vor. Brigitte Meissner ist Hebamme und Craniosacral-Therapeutin in Brugg AG.
Sie unterstützt Frauen nach belastenden Geburtserlebnissen. Ihre Erfahrung: «Wenn ein Arzt einer Frau sagt, es sei das Sicherste, das Kind per Kaiserschnitt zu holen, wird sie zustimmen.»
Doris Güttinger, Geschäftsführerin des Schweizer Hebammenverbands, ergänzt: «Kaiserschnitte sind planbar und weniger zeitintensiv. Zudem gibt es für die Ärzte finanzielle Anreize.»
Spitäler verdienen gut an Kaiserschnitten
Zahlen stützen diesen Verdacht. Vor allem private Spitäler verdienen gut: Laut Krankenkassen erhalten sie für Operation und anschliessenden Aufenthalt 20 000 Franken und mehr. Zum Vergleich: Die Grundversicherung zahlt einem Spital für eine normale Entbindung etwa 2500 Franken, für einen Kaiserschnitt bis 5000 Franken.
Brigitte Meissner: «Ärzte informieren Frauen deshalb nicht genug über die körperlichen und seelischen Nachwirkungen des Kaiserschnitts.» Auch Medienberichte über Prominente zeichnen ein verzerrtes Bild.
Victoria Beckham soll ihre drei Kaiserschnitte zwischen die Fussballspiele ihres Mannes David gelegt haben. Extrem war es vor zwei Jahren bei der damaligen französischen Justizministerin Rachida Dati – fünf Tage nach dem Kaiserschnitt ging sie wieder zur Arbeit.
Und bei Angelina Jolies Zwillingen zitierte die «Bild»-Zeitung den Arzt so: «Der Mutter geht es fantastisch.» Doris Güttinger warnt: «Frauen dürfen nicht an die Mär des einfachen Kaiserschnitts glauben.»
Fachfrauen empfehlen Schwangeren, sich Hebammen zu suchen. Sie seien kritischer als viele Ärzte. Brigitte Meissner sagt zudem: «Hebammen wissen, welche Spitäler und Ärzte häufig Kaiserschnitte machen.»
Frauen könnten dann ein anderes Spital, bei problemloser Schwangerschaft auch ein Geburtshaus oder eine Hausgeburt wählen. Auch die Hebamme von Claudia Sax Steffen hatte vom Kaiserschnitt abgeraten. Doch die Schwangere konnte nicht glauben, wie schlecht sie sich nach der Operation fühlen würde. Heute ist für sie klar: «Ich würde mich dagegen entscheiden.»
Tipps: So steigt die Chance für eine Spontangeburt
- Suchen Sie sich ab dem fünften Monat eine Hebamme.
- Fragen Sie Ihre Hebamme nach Spitälern und Ärzten, die Kaiserschnitte seltener durchführen.
- Holen Sie eine Zweitmeinung ein, wenn der Arzt einen Kaiserschnitt vorschlägt.
- Auch nach einem ersten Kaiserschnitt, bei Steisslage des Kindes und bei Zwillingen ist häufig eine Spontangeburt möglich.
- Machen Sie einen Geburtsplan. Helfer sind angehalten, Ihre Wünsche zu berücksichtigen.
Beratung und Austausch
Claudia Sax Steffen, 37, Zürich, mit Yara, 21 Monate
«Nach dem Kaiserschnitt hatte ich wegen der Schmerzen Mühe, vom Bett aufzustehen. Und ich brauchte Hilfe, um Yara zu versorgen: Ich konnte sie nicht selber aus dem Bettchen nehmen. Weil der Bauch so schmerzte, fiel mir auch das Stillen schwer. Ich bekam Schmerzmittel, davon wurde mir aber schwindelig und mir brach kalter Schweiss aus.»
Tatiana Fischli, 31, Einsiedeln SZ, mit Anaïs, 13 Monate
«Die Geburt meiner ersten Tochter endete mit Kaiserschnitt und Schmerzen. Ich fühlte mich von den Ärzten während der Schwangerschaft schlecht beraten. Beim zweiten Kind sprach ich zuerst mit einer Hebamme des Spitals. Sie unterstützte mich sehr für die natürliche Geburt. Eine Stunde nach Anaïs’ Geburt fühlte ich mich wieder gut.»
Marcia Reumer, 27, Siebnen SZ, mit Moreno, 4 Wochen
«Mein erstes Kind kam per Kaiserschnitt. Danach hatte ich monatelang Schmerzen. Bei Moreno sagte die Ärztin: «Einmal Kaiserschnitt – immer Kaiserschnitt!» Sie wollte ihn zwei Wochen vor dem Termin holen. Ich wechselte den Arzt, der mich unterstützte, spontan zu gebären. Die Wehen hatte ich vergessen, als ich Moreno im Arm hatte.»
Judith von Wyl, 32, Stans NW, mit Jael, 2 Jahre
«Nach dem Kaiserschnitt war ich zuerst dankbar, dass Jael gesund auf die Welt gekommen war. Doch ich war bedrückt, denn der Schnitt ins Innerste meines Körpers hatte auch meine Seele verletzt. Ich brauchte lange, um alles zu verkraften. Mit einer Therapeutin konnte ich alles aufarbeiten. Nun, zwei Jahre später, fühle ich mich endlich geheilt.»