Gerade Anfang der Woche hatte ich einen stärkeren epileptischen Anfall, ein «Grand Mal». Dabei schrie ich, mir floss der Speichel aus dem Mund, und ich biss mir die Lippen blutig. Ich lag 20 Minuten auf dem Boden. Zum Glück passierte es zu Hause, und meine Frau war da.
Meinen ersten epileptischen Anfall hatte ich im Kindergarten. Seither ist es mir schon Hunderte Male passiert. Ich führe eigens Buch. An die Anfälle selbst erinnere ich mich nicht. Ich habe aber schon Videos von mir gesehen. Meine linke Körperhälfte krampft dann, meine Augen sind starr, und ich antworte nicht mehr. Dieser Zustand dauert in der Regel zwei bis acht Minuten an.
Viele Leute wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Bei einem Anfall zücke ich deshalb sofort ein Notfallkärtchen. Darauf heisst es: «Keine Massnahmen, keine Getränke, kein Arzt!» Trotzdem rufen viele einen Krankenwagen. Das ärgert mich, weil ich den Einsatz selbst bezahlen muss und mich die Sanitäter wieder mitnehmen.
Kürzlich flog ich in die Ferien. Ausgerechnet vor dem Check-in hatte ich eine Absenz mit leichten Zuckungen. Ich fühlte mich unheimlich machtlos. Denn kurz bevor es so weit ist, spüre ich jeweils, wie es mich überkommt. Diese Sekunden sind psychisch für mich die schlimmsten. Dann weiss ich: Gleich packt es mich. Ich hatte Angst, dass jemand die Polizei ruft und wir nicht würden fliegen können. Dabei geht es mir nach einem Anfall wieder gut. Ich kann meine Tätigkeit direkt wieder aufnehmen und brauche keine Pause.
Ich habe eine kaufmännische Lehre abgeschlossen. Auf dem Arbeitsmarkt war es aber immer schwierig für mich. Wenn ich beim Vorstellungsgespräch von meiner Krankheit erzählte, stellten mich die Vorgesetzten oft nicht ein. Sie denken wohl, ich sei beschränkt. Wenn ich nichts sagte, entliess man mich nach dem ersten Anfall, weil ich es verschwiegen hatte. Im Moment arbeite ich im Stundenlohn als Buchhalter. In dieser Firma fühle ich mich wohl.
Trotzdem hätte ich lieber eine feste Stelle. Aber die Leute haben Angst vor der Krankheit oder denken, ich ticke nicht richtig. Dabei führe ich ein selbständiges Leben und brauche keine Unterstützung. Einzig Auto fahren darf ich nicht.
Obwohl ich meine Anfälle kaum unterdrücken kann, versuche ich, sie abzuwehren. Dann schreie ich laut heraus oder schlage meine Faust auf den Tisch. Tatsächlich ist es mir so schon gelungen, einen Anfall zu unterdrücken. Das tat mir sehr gut. Ich wusste, diesmal war ich der Stärkere.
Epilepsie: Hirnfunktion kurzfristig gestört
Epilepsie umfasst eine Gruppe von Krankheiten mit verschiedenem Verlauf. Betroffene können kurze, kaum sichtbare Absenzen haben, aber auch Krampfanfälle und der Verlust des Bewusstseins sind möglich. Ursachen können Hirnverletzungen, Schlaganfälle, Tumore oder Alzheimer sein. Nicht immer findet man einen Grund. Medikamente können Anfälle unterdrücken, aber die Krankheit nicht heilen.
Infos und Beratung:
- Schweizerische Epilepsie-Liga: Epi.ch, 043 488 67 77
- Patientenorganisation Epi-Suisse, Epi-suisse.ch, 043 488 68 80