Kann die Masernimpfung tatsächlich Autismus auslösen?
Das wissen wir nicht.
Warum nicht?
Es gibt dazu keine Untersuchungen, die das verlässlich beantworten können.
Der Film «Vaxxed» konstruiert aber diesen Zusammenhang.
Es gibt viele Berichte von Einzelfällen – im Internet oder auch in diesem Film. Sie zeigen, dass wenige Tage nach der Impfung Symptome einer Autismusstörung auftreten können. Doch Einzelfälle sind nur ein begrenzter wissenschaftlicher Beweis.
Der Film suggeriert jedoch, es gebe diesen Beweis.
Den gibt es definitiv nicht.
Ist es ratsam, diesen Film einem Massenpublikum zu zeigen?
Ach, wissen Sie ... (zögert) – warum nicht? Die Zuschauer müssen sich allerdings bewusst sein: Der Film ist nicht objektiv. Wakefield hat eine Mission, und er ist sehr umstritten.
Ist die Masernimpfung so sicher, wie die Behörden sagen?
Ich frage mich, woher Behörden und Impfkommissionen diese Sicherheit beziehen. Forscher der unabhängigen Cochrane Collaboration kamen erst vor wenigen Jahren zum Schluss, die Studien zur Sicherheit des Impfstoffs seien völlig unzureichend. Das gilt bis heute.
Weltweit sind Millionen von Menschen geimpft worden. Da hätte man ernsthafte Nebenwirkungen doch erkannt, oder nicht?
Nein. Wir wissen, wie heikel es ist, wenn Ärzte Schäden dokumentieren müssen, die auf ihre Behandlung zurückzuführen sind. Vielleicht haben sie den Eltern die Schutzimpfung ja mit Nachdruck empfohlen.
Abgesehen davon zeigt die Praxis, dass viele Fälle gar nicht ans Licht kommen. Ein konkretes Beispiel: Eine der Nebenwirkungen von Masernimpfungen kann Hirnhautentzündung sein. Sie tritt oft erst sechs Wochen nach der Behandlung auf. Wenn ein solcher Patient in ein Spital kommt, müssten die Ärzte eigentlich immer fragen, ob er sich kürzlich impfen liess. Das passiert jedoch nur sehr selten.
Sie impfen, aber keine Säuglinge. Was spricht dagegen?
Die Impfung wirkt in den ersten Lebensmonaten einfach viel schlechter als bei einem Kind, das älter ist als ein Jahr.
Wann sollte man ein Kind am besten impfen?
Das kommt darauf an. Wenn in der Umgebung keine akute Maserngefahr besteht, mit 15 Monaten. Zu diesem Zeitpunkt generiert das Immunsystem von Kindern einen optimalen Schutz. Die allermeisten Kinder brauchen dann keine zweite Impfung mehr. Wenn es in der Umgebung Masernfälle gibt, würde ich – wenn irgendwie möglich – zumindest den ersten Geburtstag abwarten.
Einige Ärzte raten, man solle erst vor der Pubertät gegen Masern impfen. Vorher könnten Kinder die Krankheit gut wegstecken.
Dieser Zeitpunkt ist nicht sinnvoll. Masern bedeuten in zwei Lebensphasen ein hohes Komplikationsrisiko: in den ersten fünf Lebensjahren – vor allem im ersten – und dann nach dem 20. Lebensjahr.
Warum bei Kindern bis 5 Jahren?
Das wissen wir nicht genau. Besonders die gefürchteten Hirnhautentzündungen treten nach Masern im ersten Lebensjahr häufiger auf.
Impfgegner argumentieren, Masern würden das Immunsystem weiterbringen. Stimmt das nicht?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Kurzfristig schwächen Masern das Immunsystem. Kinder sind noch Wochen nach der Krankheit anfälliger auf andere Infekte. Es gibt jedoch Hinweise, dass langfristig das Immunsystem gestärkt daraus hervorgeht. Masernpatienten haben später zum Beispiel seltener bestimmte Krebsformen oder allergische Krankheiten.
Es gibt also doch Argumente, ein ungeimpftes Kind an eine Masernparty mit kranken Kindern zu schicken?
Nein, Masern haben in jeder Lebensphase ein bestimmtes Risiko für Komplikationen.
Der Film: Protest der Ärzte
Im Dokumentarfilm «Vaxxed» beschuldigt der umstrittene Arzt Andrew Wakefield die US-Gesundheitsbehörden, sie hätten Daten unterschlagen. Diese würden belegen, dass die MMR- Impfung gegen Masern, Röteln und Mumps Autismus auslösen könne. Doch Beweise legt er nicht vor. Der Film sollte letztes Jahr am Tribeca- Filmfestival in New York gezeigt werden. Festivaldirektor Robert de Niro, der einen autistischen Sohn hat, musste den Film nach Protesten von Wissenschaftern aus dem Programm nehmen. Bis heute konnte keine Studie nachweisen, dass die Impfung Autismus auslöst.
Der Film läuft seit Anfang Juni in wenigen Kinos.
Zur Person:
Der Münchner Kinderarzt Steffen Rabe ist Vorsitzender des deutschen Vereins «Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung». Der 52-Jährige praktiziert im homöopathischen Ärztehaus München. Er führt die Website Impf-Info.de, die sich kritisch mit Impfungen, Behörden und Impfkommissionen auseinandersetzt.