Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt die HPV-Impfung allen jungen Frauen. Sie soll vor Gebärmutterhalskrebs schützen. Wenn es um den Nutzen von Impfungen geht, verlässt sich das Bundesamt auf das Urteil der Eidgenössischen Kommission für Impffragen.
Doch bisher unveröffentlichte Dokumente des Bundesamts zeigen: 13 der 16 Mitglieder bekamen Geld von Impfstoffherstellern. Vor allem in den Jahren 2003 bis 2010, als die HPV-Impfung auf den Markt kam. Die Hersteller engagierten Kommissionsmitglieder als Berater oder bezahlten sie für ihre Teilnahme an Kongressen. Zum Beispiel Ulrich Heininger, Chefarzt am Uni-Kinderspital beider Basel: Seine Liste der Vergütungen füllt mehrere Seiten. Auch Claire-Anne Siegrist, die damalige Präsidentin der Kommission, bekam im Jahr 2005 von der Firma Sanofi Pasteur Geld als Mitglied des Beirats für die HPV-Impfung. Der deutsche Impfexperte Martin Hirte kritisiert: «Damit beeinflusst die Pharmaindustrie weitreichende Entscheidungen von Impfgremien.»
Studienleiter erhielt Geld von Herstellern
Das internationale Forschernetzwerk Cochrane Collaboration hat in Ärztekreisen grossen Einfluss. Denn es überprüft zahlreiche Medikamente und Therapien. Im vergangenen Jahr kam eine Cochrane-Übersichtsstudie zum Schluss, die HPV-Impfung schütze vor Krebsvorstufen. Doch die Ärzte und Cochrane-Mitglieder Peter Gøtzsche, Lars Jørgensen und Tom Jefferson enthülllten, dass der leitende Autor der HPV-Studie wiederholt Geld von Impfstoffherstellern bezogen hatte.
Diese Kritik hatte für Gøtzsche Folgen: Die Cochrane Collaboration warf ihn aus dem Vorstand. Der Fall zeigt: Wer sich kritisch zur HPV-Impfung äussert, muss mit Repressalien rechnen. Das gilt nicht nur für Ärzte. Die Winterthurer Journalistin Catherine Riva veröffentlichte 2010 ein Buch über die HPV-Impfung mit dem Titel «La piqûre de trop?» Darin dokumentierte die Journalistin Interessenskonflikte von Kommissionsmitgliedern. Darauf drohte ihr Claire-Anne Siegrist mit rechtlichen Schritten. Das zeigen E-Mails, die dem Gesundheitstipp vorliegen. Siegrist schrieb Riva, sie müsse mit Anzeigen wegen «Ehrverletzung» rechnen.
Auch die französische Zeitschrift «Paris Match» legte sich mit der Impflobby an. Die Zeitschrift schrieb vor vier Monaten, es gebe «keine Gründe, um die Impfung zu empfehlen». Nach wenigen Tagen löschte «Paris Match» den Artikel von der Website. Verbürgt ist, dass die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn mit einem Mitarbeiter von «Paris Match» Kontakt hatte, bevor der Artikel verschwand. Ihre Pressestelle bestätigt das auf Nachfrage des Gesundheitstipp.
Während der Druck auf Kritiker zunimmt, mehren sich die Zweifel am Nutzen der Impfung. Bisher unveröffentlichte Studien des Impfstoffherstellers Merck zeigen, dass die Impfung die Zahl der Krebsvorstufen nicht vermindert. «Paris Match» berichtete darüber. Vor fünf Jahren kam eine Studie des dänischen Krebsforschungszentrums zum gleichen Schluss. Der Grund: HPV-Impfstoffe wirken vor allem gegen zwei Virentypen, die am häufigsten auftreten. Impfexperte Martin Hirte vermutet, dass an ihre Stelle andere Virentypen nachrücken, die ebenfalls Krebs auslösen können.
Bundesamt bestreitet Interessenskonflikte
Das Bundesamt für Gesundheit schreibt, alle Mitglieder der Impfkommission müssten mögliche Interessenskonflikte vor jeder Sitzung melden. Bei Zweifeln an der Unabhängigkeit würden Fachleute nicht als Kommissionsmitglieder gewählt oder sie müssten beim Beurteilen von Impfungen in den Ausstand treten.
Der Impfstoffhersteller Merck Sharp & Dohme räumt ein, dass das Nachrücken von anderen HPV-Typen ein «wichtiges Thema» sei. Es gebe aber keine Anzeichen dafür, dass dieses Phänomen in einem grösserwen Ausmass auftrete. Mehrerere Studien hätten die Sicherheit und den Nutzen der HPV-Impfstoffe belegt. Die Impfung schütze nicht nur vor Gebärmutterhalskrebs, sondern auch vor weiteren Krebsarten.
Die Impfkommissionsmitglieder Ulrich Heininger und Claire-Anne Siegrist nahmen zu den Fragen des Gesundheitstipp nicht Stellung.
Neuer Krebstest: Mehr Fehlalarme
Frauenärzte bieten ihre Patientinnen regelmässig zu einem Test auf. Sie machen einen sogenannten Pap-Abstrich, um Zellveränderungen zu erkennen, die zu Gebärmutterhalskrebs führen können. Jetzt bekommt der Abstrich Konkurrenz durch einen neuen Test. Mit ihm wollen Frauenärzte Krebsvorstufen noch früher entdecken. Im Unterschied zum Pap-Abstrich untersucht der neue Test nicht Gewebe der Patientinnen, sondern genetisches Material der Papilloma-Viren. Das hat seinen Preis: Der neue Test kostet rund 180 Franken – neun Mal so viel wie der Abstrich.
Fachleute sind vom Nutzen des neuen Tests nicht überzeugt. Eine dänische Studie zeigte vor drei Jahren: Mit dem neuen Test gibt es fünf Mal so viele Fehlalarme wie mit dem Pap-Abstrich. Das führt bei betroffenen Frauen zu mehr Angst und zu unnötigen Untersuchungen. Deshalb empfiehlt der Arzt Peter Mattmann aus Kriens LU weiterhin den Pap-Abstrich: «Ein Test, der Zellveränderungen noch früher feststellt, aber zu mehr Fehlalarmen führt, bringt nichts.» Es dauere rund 12 Jahre, bis aus Zellveränderungen allenfalls ein Krebs entsteht. «Da bleibt genügend Zeit für weitere Kontrollen.»
Aufruf: Haben Sie Erfahrung mit der HPV-Impfung?
Schreiben Sie uns: Gesundheitstipp, «HPV-Impfung», Postfach 277, 8024 Zürich, redaktion@gesundheitstipp.ch