Wenn ich schulfrei habe, gehe ich ins Rettungsschwimmen und singe in einem Kinderchor. Ich fahre ausserdem Velo und im Winter Ski. Gerne würde ich auch noch Judo machen. Diesen Sommer konnte ich mit dem Ferienpass auch mal dort reinschnuppern. Aber das ist kein gutes Hobby für mich. Man kann sich dabei ziemlich stark stossen. Das ist gefährlich für mich, weil ich die Bluterkrankheit Hämophilie B habe. Mein Blut gerinnt nicht so, wie es sollte. Das fanden die Ärzte heraus, als ich knapp ein Jahr alt war.
Da hatte ich plötzlich ein dickes Knie und konnte mein Bein nicht mehr bewegen. Das Blut stoppte nicht und floss direkt ins Gelenk. Damit das nicht mehr passiert, gibt mir Mami eine Spritze mit einer Medizin. Eine Stunde vorher kleben wir die Einstichstelle am Ellbogen mit einem Pflaster ab, das die Haut dort betäubt. Es tut aber trotzdem weh. Die blauen Nadeln sind die schlimmsten. Die nehmen sie manchmal im Spital. Sie sind am dicksten. Zu Hause haben wir die dünneren orangen Nadeln.
Blöd ist, wenn Mami die Vene nicht trifft. In den Sommerferien in Italien hat sie wieder einmal eine verfehlt. Dann wurde mein Arm ganz dick. Wir konnten erst eine Stunde später ans Meer, weil wir beim anderen Arm ja zuerst wieder das Pflaster aufkleben mussten. Wenn ich den Kopf anschlage, kann ich mich manchmal nicht mehr an Dinge erinnern. Es kann passieren, dass Blut ins Gehirn läuft. Das sieht man von aussen nicht. Einmal musste ich deshalb die ganze Nacht im Spital bleiben.
Zweimal im Jahr muss ich ausserdem zur Kontrolle ins Spital. Dann nehmen sie mir Blut ab und schauen, ob die Menge meiner Medizin noch stimmt. Jetzt bin ich in der 2. Klasse. In der Schule habe ich es lange keinem gesagt. Ich rede gar nicht gern über meine Krankheit. Aber meine Lehrerin wusste es von Anfang an, damit sie reagieren kann, wenn mir etwas passiert. Mir ist in der Schule schon schwindlig geworden. Ich wurde ohnmächtig und bin aufs Kinn gefallen. Davon bekam ich einen riesigen blauen Fleck.
Ein Gspänli fragte mich: «Hast du einen Bart?» Ich habe mein Kinn dann im Pulli und hinter den Händen versteckt. Einmal bin ich nicht mit auf einen Schulausflug, weil ich Angst hatte, dass mir etwas passiert. Am nächsten Tag haben alle gefragt, wieso ich nicht dabei war. Dann haben meine Lehrerin und ich es der Klasse erklärt. Jetzt bin ich froh, dass es alle wissen. Dann tun sie weniger wild mit mir. Aber manchmal vergesse ich es auch und tue selbst wild.
Hämophilie: Das Blut gerinnt nicht richtig
Damit Blut gerinnt, braucht es sogenannte Gerinnungsfaktoren. Bei der Hämophilie B funktioniert der Faktor IX wegen eines Gendefekts nicht. Betroffene neigen zu blauen Flecken, Nasenbluten und Blutungen in den Gelenken. Bei Männern bricht die Krankheit immer aus, wenn sie den Gendefekt haben, bei Frauen nicht zwingend. Betroffene bekommen den fehlenden Gerinnungsfaktor mit einer Spritze verabreicht.
• Infos: Schweizerische Hämophilie-Gesellschaft, Shg.ch, Tel. 079 789 38 38