Apotheken und Drogerien verkaufen eine Menge Sprays, Gurgellösungen und Lutschtabletten gegen Halsschmerzen. Sie sollen entweder lokal betäuben oder Keime abtöten.
Doch keines der Mittel hilft gegen die Entzündung im Hals, kritisieren Experten. Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Chefredaktor der deutschen Fachzeitschrift «Arznei-Telegramm», sagt: «Die Produkte wirken nur an der Oberfläche der Schleimhaut und dringen nicht in die tieferen Gewebeschichten vor, wo die Entzündung ist.» Es gebe wohl keinen Wirkstoff, der in Form von Lutschtablette, Gurgellösung oder Spray die Heilung wirklich fördere. Zudem fehlten bis heute aussagekräftige Studien, so Becker-Brüser.
Auch das deutsche Konsumentenmagazin «Öko-Test» stellte unlängst fest: Teure Präparate nützen nicht mehr als günstige Hausmittel. Bestenfalls helfen sie gegen die Beschwerden, so das Fazit von Manfred Schubert, Professor für Pharmazeutische Chemie an der Uni Frankfurt am Main. Grund: Es sind hauptsächlich Viren, die eine Halsentzündung verursachen – und gegen diese «ist kein Kraut gewachsen», so Schubert.
Der Berner Pharmakologe Bernhard Lauterburg sieht das auch so: «Alle Zusätze zum Desinfizieren in Halsweh-Präparaten sind überflüssig.» In Norwegen und Frankreich sind Tabletten mit Wirkstoffen wie Cetylpyridin-, Dequalinium- und Benzalkoniumchlorid deshalb nicht mehr im Handel. Cetylpyridin hats in Halswehtabletten wie Mebucaine und Neo-Angin.
Auch Hexetidin in Gurgelmitteln ist umstritten (siehe Tabelle): Der Stoff wirke nur sehr schwach, urteilte das «Arznei-Telegramm». Zudem neutralisiere Zahnpasta beim Zähneputzen das Hexetidin.
Mebucaine-Herstellerin Novartis schreibt, ihr Mittel desinfiziere und könne den Schmerz im Hals reduzieren. Hextril-Herstellerin Janssen Cilag wollte sich nicht äussern.
«Mit Viren wird der Körper selber fertig»
Um Halsschmerzen lokal zu betäuben, empfiehlt «Öko-Test» bei Lutschtabletten gerade mal zwei chemische Wirkstoffe: Lidocain und Ambroxol. Kinder unter 12 Jahren, Schwangere und Stillende sollten sie aber nicht nehmen. Nach Ansicht von Pharmakologe Lauterburg «sind lokal betäubende Stoffe in Lutschtabletten wirksamer als in Gurgellösungen oder Sprays. Denn sie bleiben länger mit der entzündeten Stelle in Kontakt.»
Halswehmittel sollen in erster Linie Schmerzen lindern, sagen auch Fachleute wie Stephan Rupp, Arzt in Einsiedeln SZ und Vorstandsmitglied des Berufsverbands Hausärzte Schweiz: «Mit Viren wird der Körper selber fertig.»
Werden die Schmerzen unerträglich, kann man laut Fachleuten auf Produkte zurückgreifen, die Paracetamol oder Ibuprofen enthalten.
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser rät bei Halsweh: «Es ist unnötig, mit Chemiekanonen auf Spatzen zu schiessen. Sie zerstören mehr, als sie nützen.» Hausmittel hingegen wirkten schonend und entspannend. Viele Ärzte bekämpfen ihr Halsweh deshalb lieber mit Hausmitteln (siehe Umfrage). Selbst wenn auch hier wissenschaftliche Belege fehlen: Sie haben kaum Nebenwirkungen und sind günstiger. Fachleute empfehlen etwa Bonbons mit Eukalyptus oder Salbei. Aber auch Erkältungstees mit Lindenblüten, Eibisch, Spitzwegerich, Isländisch Moos und Thymian tun gute Dienste. Wichtig: viel trinken. Am besten Tee oder heisses Wasser mit Zitronensaft oder Apfelessig und Honig. Ebenfalls gut: Gurgeln mit Salzwasser oder Salbeitee.
Beda Stadler, Immunologe, Universität Bern
«Ich beisse auf die Zähne, solang es geht. Erst dann nehme ich Lutschtabletten mit Lidocain oder gurgle. Manchmal schlucke ich noch Aspirin. Gut hilft auch heisses Wasser mit Zitrone.»
Wolfgang Becker-Brüser, Arzt und Chefredaktor «Arznei- Telegramm»
«Sobald es im Hals kratzt, halte ich ihn mit einem Schal warm. Ich lutsche Bonbons mit Eukalyptus und Salbei und trinke viel Tee oder heisse Zitrone. Der Spüleffekt lindert die Schmerzen.»
Thierry Carrel, Herzchirurg, Inselspital Bern
«Gegen Halsweh kann ich Honigmilch oder Gletscherwasser wärmstens empfehlen. Gletscherwasser ist kein alkoholisches Getränk – sondern schlicht eiskaltes Wasser.»
Bernhard Lauterburg, Pharmakologe, Bern
«Ich leide. Meist wortkarg, da auch Reden weh tut. Dazu lutsche ich etwas, das betäubend ist. Und ich trinke – politisch und medizinisch unkorrekt – Schnaps. Natürlich erst am Abend.»
Daniel Koch, Leiter übertragbare Krankheiten, Bundesamt für Gesundheit
«Bei Halsweh greife ich zu Lutschtabletten irgendwelcher Sorte. Manchmal gurgle ich noch mit Salzwasser oder Hextril. Glücklicherweise habe ich aber nur selten Halsschmerzen.»
Stephan Rupp, Kinderarzt und im Vorstand Verband Hausärzte Schweiz
«Ich unternehme nicht viel. Wenn das Halsweh schlimm ist, trinke ich einen Schluck Schnaps, obwohl ich den eigentlich gar nicht gern mag. Er ist dann halt ein Medikament.»