Mit seinen Stirnfransen und seiner eleganten Designerbrille sieht Reiner Bernath eher wie ein Künstler als wie ein Arzt aus. Doch kaum einer hat so viele Hausgeburten betreut wie er: Seit 1987 hat Bernath geholfen, in Solothurn und Umgebung 560 Kinder auf die Welt zu bringen. Zusammen mit einer Hebamme betreut er die Frauen jeweils bei der Geburt in ihrer Wohnung.
Das seien für ihn Höhepunkte seiner Arbeit, sagt Bernath: «Wenn ich die Freude der Eltern miterlebe, überträgt sich die gute Stimmung auf mich.»
Als jungen Arzt zog es Bernath in die weite Welt: Nach dem Studium arbeitete er vier Jahre lang in Mosambik. Dort betreute er viele Frauen bei der Geburt. «Die Geburtshilfe ist in Drittweltländern ein wichtiger Teil der ärztlichen Tätigkeit», erklärt Bernath. Nach seiner Rückkehr nach Solothurn gründete er mit einem Partner die Gruppenpraxis Weststadt – und führte gewissermassen weiter, was er in Afrika geübt hatte.
Auch Susanne Grütter aus Zuchwil SO liess sich bei der Geburt ihrer beiden Söhne von ihm betreuen. «Der grösste Vorteil der Hausgeburt war, dass ich die Personen schon kannte, die mich unterstützten», sagt Grütter. Reiner Bernath sei «sehr respektvoll und liebevoll» gewesen. Auch Bernath ist überzeugt, dass die Hausgeburt für Frauen und Kinder vorteilhaft ist. Das Risiko sei nicht grösser als im Spital – im Gegenteil: «Die Hausgeburt ist sicherer, weil sich die Frauen in den Wehenpausen besser entspannen können.» So bekämen die Kinder mehr Sauerstoff.
Zudem seien viele medizinische Massnahmen im Spital unnötig: «Im Spital geben die Ärzte den Frauen oft zu früh Medikamente, in der Meinung, sie müssten die Geburt beschleunigen.» Bei Hausgeburten warten die Hebammen länger, so Bernath: «Dann lösen sich die meisten Probleme von selbst.» Falls es dennoch Komplikationen gibt, könne man die Hausgeburt jederzeit abbrechen und die Frau ins Spital transportieren. Aber das sei nur selten nötig.
Die Solothurner Frauenärztin Lilian Saemann findet Bernaths Engagement für Hausgeburten «grossartig». Wenn eine Geburt bevorsteht, müsse der Arzt Tag und Nacht erreichbar sein. Das beeinträchtige sein Privatleben stark. Dazu sei nur ein Arzt bereit, der «viel Herz für die Sache» hat.
Bald wird Reiner Bernath 69. Sein Arbeitspensum hat er auf
50 Prozent reduziert. Seit letztem Herbst sucht er eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger. Die Hoffnung, einen jungen Arzt zu finden, der wie er regelmässig Hausgeburten begleitet, hat Bernath aufgegeben.
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Bisher erschienen: Rupert K. Spillmann, der Landarzt aus Thierachern BE, Yvonne Gilli, die politische Ärztin aus Wil SG, Martin Frei-Erb, der Homöopath aus Thun BE, Peter Mattmann, der Impfkritiker aus Kriens LU, Elisabeth Müller, die soziale Hausärztin aus Zürich-Affoltern