Die Patientin litt unter Rückenschmerzen. Doch wenn sie Besuch hatte, waren die Schmerzen plötzlich wie weggeblasen. Für Elisabeth Müller zeigt dieses Beispiel: «Einsamkeit macht krank.» Damit wollte sich die Hausärztin nicht abfinden. Um einsamen Patienten einen Treffpunkt zu bieten, hat Elisabeth Müller unweit ihrer Praxis im Zürcher Aussenquartier Affoltern das «Kafi Mümpfeli» eröffnet. Es ist täglich geöffnet, auch an allen Festtagen. Am Heiligabend ist das Menü für alle Gäste gratis. An Tagen mit Hochbetrieb wie dem Karfreitag und dem Muttertag hilft Müller in der Küche mit, manchmal auch abends.
Das «Kafi Mümpfeli» würde fehlen, wenn es nicht existieren würde, sagt eine Seniorin, die mit einer Freundin im Lokal ihren Geburtstag feiert. Die Atmosphäre sei anders als in anderen Restaurants: «Hier wird man nicht zum Konsumieren gedrängt.» Auch für das Personal ist das «Kafi Mümpfeli» unersetzlich. Etwa die Hälfte der Mitarbeiterinnen ist behindert oder leidet an einer psychischen Krankheit. «Hier haben die Vorgesetzten Verständnis, wenn ich mal nicht arbeiten kann», sagt eine Kellnerin, die an einer Depression leidet. Dass Behinderte und Gesunde Seite an Seite arbeiten, gehört zum Konzept. Elisabeth Müller will Menschen eine Chance geben, die auf dem Arbeitsmarkt an den Rand gedrängt wurden.
Die Ärztin bekommt im Quartier viel Lob. «Sie tut etwas für Menschen, denen es nicht so gut geht», sagt die Präsidentin des Quartiervereins. Auch der Hausarzt Giovanni Ruffo findet das «Kafi Mümpfeli» eine «originelle Initiative». Elisabeth Müllers Einsatz für weniger privilegierte Menschen erinnere ihn ein wenig an die wohltätige Ordensschwester Mutter Teresa, sagt Ruffo. Elisabeth Müller stört der Vergleich nicht. «Das hat etwas», sagt sie. «Mein Tick ist, dass ich anderen Menschen helfen möchte, wenn ich kann.» Ihr Mann findet, sie gehe dabei manchmal zu weit. Aber für sie sei es selbstverständlich, mit anderen Menschen zu teilen, die weniger haben: «Ich bin so aufgewachsen. Meine Mutter hatte immer ein offenes Haus.»
Nur einen Punkt findet Giovanni Ruffo verbesserungswürdig: «Das Team müsste durch eine sozialtherapeutisch geschulte Person geleitet werden, damit es nicht Schiffbruch erleidet.» Elisabeth Müller nimmt den Vorschlag an. Sie sagt, sie werde prüfen, ob es möglich sei, eine solche Fachkraft anzustellen.
Auch finanziell hat sich Elisabeth Müller für das «Kafi Mümpfeli» engagiert. «Ich habe viel Geld hineingesteckt», sagt sie. Heute sei das Lokal selbsttragend.
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