Frau Besson-Strasser, essen Sie gespritzte Trauben?
Wenn ich Trauben kaufe, dann Bio. Die anderen enthalten Pestizide. Das möchte ich mir nicht antun.
Sie haben über Jahre selber Pestizide gespritzt. Haben Sie heute deswegen ein schlechtes Gewissen?
Ich war schon damals kein Fan der chemischen Spritzmittel. Aber ein schlechtes Gewissen habe ich nicht. Wir wussten früher nur wenig über biodynamischen Weinbau und waren unsicher, ob es ohne Chemie funktioniert.
Weshalb haben Sie dann doch umgestellt?
Jedes Mal, wenn wir spritzten, bekam ich rote und geschwollene Augen. Sie haben gebrannt und gejuckt. Ich sah dann fast nichts mehr.
Konnten Sie so noch arbeiten?
Es war mühsam. Nachts konnte ich oft nicht schlafen, weil es so gejuckt hat. Die Allergie ging meist nach drei Tagen zurück. Aber sobald wir spritzten, ging es erneut los.
Haben Sie nicht versucht, sich zu schützen?
Ich trug stets eine Schutzbrille. Aber die chemischen Mittel frassen sich richtiggehend in die Gläser. Ende Saison musste ich die Brille jeweils entsorgen. Auch für meine Haut war das Ganze schlimm.
Warum?
Ich habe die Hautkrankheit Neurodermitis. Nachdem wir gespritzt hatten, hatte ich oft einen Schub. Meist im Gesicht oder am Hals.
Kam auch das von den Spritzmitteln?
Ich gehe davon aus. Immer im Frühling, wenn wir die Mittel gegen Pilze gespritzt hatten, waren die Schübe am schlimmsten.
Wie haben Sie sich behandelt?
Mit Kortisonsalbe vom Hautarzt. Die akute Entzündung heilte damit meistens nach ein paar Tagen ab. Aber jedes Mal Kortison zu nehmen, war für mich keine Lösung.
Braucht es Mut, den Betrieb umzustellen?
Nicht besonders. Das Umstellen vom konventionellen auf den biodynamischen Weinbau vollzogen wir ja nicht von heute auf morgen. Zuerst bewirtschafteten wir nur eine Parzelle biodynamisch, um zu sehen, ob das funktioniert. Erst vor drei Jahren stellten wir komplett um. Heute spritzen wir Tee, etwa aus Brennnesseln, statt Chemie.
Geht es Ihnen nun besser?
Heute habe ich keine Neurodermitis-Schübe mehr, entzündete Augen ebenso wenig. Ich finde das selber erstaunlich. Und unseren Helfern geht es auch besser.
Waren diese auch krank?
Einige von ihnen reagierten allergisch auf die chemischen Mittel. Eine Frau musste für die Weinlese immer Handschuhe tragen, weil sonst Hautausschläge auftraten. Andere Leute bekamen rote Hände. Heute hat niemand mehr Probleme. Lara Wüest
Zur Person - Nadine Besson-Strasser
Die 37-Jährige wollte zuerst Lehrerin werden. Als sie nach dem Schulabschluss durch das Wein-gebiet Napa Valley in Kali-fornien reiste, änderte sie ihre Meinung. Vor sechs Jahren übernahm sie mit ihrem Mann den Weinbaubetrieb ihrer Eltern bei Uhwiesen ZH. Bessons haben eine Tochter und einen Sohn.