Mein Tumor heisst Hansli. Seit ich ihm einen Namen gegeben habe, fällt es mir leichter, über ihn zu sprechen. Er sitzt am Hinterkopf und ist am Hirnstamm angewachsen. Dort kommen sehr viele Nervenbahnen zusammen, deshalb können die Ärzte ihn nicht ganz entfernen.
Besonders beim Liegen habe ich das Gefühl, dass ich Hansli spüre. Darum drehe ich meinen Kopf beim Schlafen immer zur Seite, selbst wenn ich auf dem Rücken liege. Ich habe auch noch kein Kissen gefunden, das bequem für mich ist.
Die Narben von der Operation sind noch gut zu erkennen, weil da keine Haare mehr wachsen. Eine geht vom Nacken bis oben auf den Kopf. Dann habe ich noch eine kleinere am Vorderkopf. Sie stört mich fast mehr, weil man sie besser sieht.
Die Ärzte entdeckten den Tumor im letzten Sommer. Da war er noch viel grösser. Ich sah den Fleck auf dem Röntgenbild sofort und musste weinen. Meine Mami weinte auch ganz fest.
Davor war ich schon bei drei Kinderärzten. Es hiess immer, es sei nichts Schlimmes. Dabei hatte ich über mehrere Monate starkes Kopfweh und musste in der Nacht erbrechen. Ich hatte auch Probleme mit den Augen. Als mir einmal eine Frau auf der Strasse entgegenkam, sah ich sie gleich dreifach.
Nach der Operation musste ich vieles neu lernen. Ich konnte nicht mehr richtig gehen, schreiben oder Wasser in ein Glas einschenken. Auf der linken Seite war mein Gesicht leicht gelähmt. Anfangs war ich immer sehr müde. Ich durfte fast nur im Sitzen schlafen, das war anstrengend. Ich habe mir auch viele Sorgen gemacht, etwa dass ich meinen kleinen Bruder anstecke. Inzwischen weiss ich, dass das nicht möglich ist.
Alle sechs Monate muss ich ins Spital zur Kontrolle. Dazwischen war ich schon zweimal im Notfall-MRI, weil ich oft einen komischen Kopf habe. Er fühlt sich dann sehr schwer an, und mir ist schwindlig. Eigentlich macht es mir nichts aus, in die Röhre zu gehen. Viel mehr Angst habe ich davor, was die Ärzte danach sagen. Darum beobachte ich sie immer ganz genau. In der Röhre hat es einen kleinen Deckenspiegel, über den man ins Zimmer sieht. Wenn ich sehe, dass ein Arzt telefoniert, mache ich mir Sorgen.
Mein erstes MRI dauerte eineinhalb Stunden. In der Zeit konnte ich sehen, wie immer wieder neue Ärzte ins Zimmer kamen, auf den Monitor starrten und sich besorgt an die Stirn fassten. Ich musste weinen und konnte mir die Tränen nicht einmal wegwischen, weil ich mich nicht bewegen durfte.
Am liebsten würde ich Hansli vergessen. Manchmal gelingt mir das. Aber wenn ich alleine bin, frage ich mich, warum er genau bei mir im Kopf sitzt. Das macht mich traurig. Ich habe auch Angst, dass ich nochmals operieren muss. Wenigstens ist der Tumor gutartig.
Zwar weiss ich, dass ich nichts falsch gemacht habe. Trotzdem passe ich jetzt ganz gut auf und schlafe nie mit dem Handy auf dem Nachttischli ein. Auch kabellose Kopfhörer würde ich nie tragen.
In meiner jetzigen Klasse wissen nur wenige, dass ich einen Tumor habe. Das ist gut so, ich mag es nicht, wenn die anderen über mich reden. Bald ist in der Schule wieder Zukunftstag. Dann darf man einen Beruf kennenlernen. Mein Wunsch ist es, Ärztin zu werden.
Hirntumor: Häufiger Krebs bei Kindern
Krebs ist bei Kindern nicht so selten: Jedes Jahr erkranken in der Schweiz rund 350 Kinder daran. Jedes fünfte hat einen Hirntumor. Gutartige Tumore verdrängen umliegendes Gewebe. Bösartige wachsen in angrenzendes Gewebe ein und zerstören es. Betroffene haben Beschwerden wie Kopfweh, Lähmungen oder verändertes Verhalten. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt. Experten vermuten genetische Veranlagung und Umwelteinflüsse. Es gibt Hinweise darauf, dass die Strahlen von Mobiltelefonen einen Einfluss haben.
Beratung und Information
Kinderkrebs Schweiz, Tel. 061 270 44 00, Kinderkrebs-schweiz.ch