Gegen zu dünne Models auf dem Laufsteg regt sich Widerstand. So sollen Agenturen in Frankreich keine extrem dünnen Models mehr an Modeschauen schicken dürfen. Dies hat die französische Nationalversammlung vor wenigen Tagen beschlossen. Immer öfters sieht man zudem Plus-Size-Models die neuste Mode anpreisen.
Die amerikanische Sängerin Beth Ditto schritt schon vor sechs Jahren für Karl Lagerfeld über den Laufsteg – eine Frau mit der Figur eines Gymnastikballs: 1,57 Meter gross und um die 100 Kilogramm schwer. Seit zehn Jahren modelt auch das aargauische Plus-Size-Model Claudia Polar für Modelinien wie Ulla Popken, Sheego oder Sugar Shape (siehe Interview). Sie sagt selbstbewusst: «Ich bin in der Branche geschätzt und gefragt.»
30 Prozent der zu dicken Menschen sind gesund
Nicht nur die Modewelt, auch die Wissenschaft kommt mittlerweile zum Schluss, dass Dicksein nicht zwingend schlecht sein muss. Vor einigen Jahren wiesen erste Studien darauf hin, dass leichtes Übergewicht das Leben verlängert. So stellte eine Arbeitsgruppe um die amerikanische Wissenschafterin Katherine Flegal im Fachblatt «Journal of the American Medical Association» fest: Personen mit einem Body-Mass-Index von 25 bis 30 sterben im Durchschnitt nicht früher als Normalgewichtige. Damit sind Menschen gemeint, die bei einer Körpergrösse von 1,70 Meter 73 bis 87 Kilo wiegen. Und bei älteren Menschen über 70 spiele ein hoher Body-Mass-Index für die Sterblichkeit keine Rolle mehr, kommt Forscherin Flegal zum Schluss.
Zudem belegen immer mehr Studien, dass zu dicke Menschen durchaus einen gesunden Stoffwechsel haben können. Das bestätigt Norbert Stefan, Diabetologe an der Universitätsklinik Tübingen (D). Er untersuchte unter anderem Patienten mit Diabetes Typ 2, Bluthochdruck oder Störungen des Fettstoffwechsels.
Übergewicht ist zwar ein Risikofaktor für alle drei Krankheiten. Laut Stefan sind dennoch 30 Prozent dieser Leute gesund. Er nennt sie die «glücklichen Dicken». Stefan: «Ihre Blutfettwerte sind sogar ähnlich wie bei schlanken Menschen.»
Auch Matthias Blüher von der Adipositas-Ambulanz an der UniKlinik in Leipzig (D) hat festgestellt, dass es Menschen mit einem Body-Mass-Index über 35 gibt, die weder erhöhten Blutdruck noch Diabetes haben. Bei einer Grösse von 1,70 Meter sind das 102 Kilo und mehr. «Das Resultat war überraschend», sagt Blüher. «Zuvor waren wir überzeugt, dass Übergewicht jedem Menschen schaden muss.»
Oft normale Leber und wenig inneres Bauchfett
Die Fachärzte entkräften noch weitere Vorurteile. So haben gar nicht alle Übergewichtigen eine Fettleber. Zwar gilt: Durch das Essen von viel Zucker und Fett beginnt die Leber zu verfetten. Die Folgen sind gravierend. Nach und nach stirbt Lebergewebe ab, bis letzten Endes das Organ versagt. Bisher war man der Ansicht, dass jede dicke Person eine Fettleber hat. Diabetologe Norbert Stefan konnte aber nachweisen: Die Leber der «glücklichen Dicken» ist normal, also nicht verfettet. Stefan geht davon aus, dass die Gene eine wichtige Rolle spielen: «Je nach Veranlagung wird das Fett unterschiedlich gespeichert.»
Übergewichtige haben auch nicht mehr inneres Bauchfett als Normalgewichtige. Dabei handelt es sich um Fett, das der Körper im Bauchraum um die Organe herum speichert. Menschen mit viel innerem Bauchfett leiden oft an Kreislaufkrankheiten oder Thrombose und haben ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer oder Krebs zu erkranken. Matthias Blüher fand heraus, dass rund jeder dritte Übergewichtige gleich viel inneres Bauchfett hat wie ein Normalgewichtiger.
Verblüffend: Auch schlanke Leute können viel inneres Bauchfett haben – einzig die Körperform weist darauf hin. Personen mit einer Apfelform sind eher betroffen als Personen mit einer Birnenfigur.
Auch wenn somit die Einteilung «dünn ist gesund, dick ist krank» nicht mehr gilt – die neuen Befunde sind kein Freipass zum Schlemmen. Der Lebenswandel ist nach wie vor wichtig für die Gesundheit. Diabetologe Norbert Stefan: «Wer zu schwer ist, egal ob gesund oder nicht, sollte immer versuchen abzunehmen.» Denn Übergewicht belaste die Gelenke. Wenn sich jemand im Körper nicht wohlfühle, könne dies zudem Depressionen verursachen.
Wer zu dick ist, weiss zudem: Die Folgen können Kurzatmigkeit beim Treppensteigen, starkes Schwitzen oder Rückenschmerzen sein. Das beste Rezept dagegen sind Sport und gesunde Ernährung. Stefan: «Allerdings moderat. Man muss nicht auf Schokolade verzichten, sondern einfach nicht zu viel essen.» Und der Zürcher Präventivmediziner David Fäh sagt: «Das Verhalten ist ausschlaggebend.» Wer einen BMI von 25 bis 30 habe, aber viel Sport mache, gesund esse und nicht rauche, sei meist gesünder als Normalgewichtige mit einem ungesunden Lebensstil.
«Früher fand ich mich richtig hässlich»
Claudia Polar ist nicht so schlank wie die meisten Fotomodelle
Die Aargauerin mit dem Künstlernamen Claudia Polar zeigt ihren Körper gerne vor der Kamera – obwohl sie Kleidergrösse 44 hat.
Frau Polar, möchten Sie schlanker sein?
Nein. So wie ich jetzt bin, bin ich perfekt. Vor zehn Jahren wog ich noch 100 Kilogramm bei einer Grösse von 1,79 Meter. Damals fühlte ich mich richtig hässlich. Durch eine gesündere Ernährung habe ich abgenommen. Heute wiege ich noch 78 Kilogramm.
Wie haben Sie es geschafft, abzunehmen?
Ich probierte vieles: Kohlsuppendiät, Bioresonanz, Iss-die-Hälfte-Diät – alles, worüber ich in einer Zeitschrift oder im Internet gelesen hatte. Doch das nützte nicht viel. Erst als ich meine Einstellung zum Körper geändert hatte, kam der Durchbruch.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Mein Umfeld sagte mir immer wieder, dass ich ein schönes Gesicht habe. Irgendwann glaubte ich das, meldete mich bei einem Schönheitswettbewerb für Plus-Size-Models an – und gewann. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben.
Wie erklären Sie sich, dass Sie plötzlich als Model gefragt sind?
Die Modebranche hat begriffen, dass nicht alle Frauen die Grössen «small» oder «extra small» tragen. Wenn man sich auf der Strasse umschaut, entsprechen ja nur wenige Frauen diesen Idealen. Und auch sie wollen sich schön kleiden. Da ist also Geld zu holen.
Also gehts nur um Profit?
Ja, definitiv.
Können Sie vom Modeln leben?
Nein, dafür ist der Markt für Plus-Size-Models noch zu klein. Ich arbeite zusätzlich als Nanny. Mein Traum ist aber, bald davon leben zu können.
Tipps: So halten Sie sich fit
- Machen Sie zwei- bis dreimal pro Woche eine halbe Stunde lang moderates Fitnesstraining, bei dem der Puls leicht erhöht ist.
- Gehen Sie möglichst zu Fuss oder per Velo zur Arbeit. Das regt die Fettverbrennung an.
- Sorgen Sie zu Hause für mehr Bewegung, etwa, indem Sie Vorräte im Keller lagern statt in der Küche.
- Setzen Sie die Schlafzimmertemperatur hinunter. Ideal sind 15 Grad. Das regt die Fettverbrennung zusätzlich an.
- Falls Sie nicht ohne Snacks sein können, essen Sie kalorienarmes Gemüse, z. B. Tomaten oder Rüebli.
- Trinken Sie wenig Süssgetränke und Fruchtsäfte. Die haben viel Zucker. Am besten ist Wasser oder ungesüsster Tee.