Manchmal nennen mich meine Freunde «einhändiger Bandit» oder «Pouletflügeli». Ich finde das witzig. Schon kurz nach dem Unfall konnte ich wieder lachen. Bei meiner Familie hat das etwas länger gedauert.
Der Unfall ereignete sich, als ich 18 Jahre alt und im zweiten Jahr meiner Landschaftsgärtnerlehre war. Mit meiner Mitstiftin und unserem Vorarbeiter war ich auf Häckseltour. Ich hatte Brombeergestrüpp in die Maschine gelegt und von Hand nachgeschoben. Das macht man normalerweise mit einer Gabel, aber von Hand ging es einfacher.
Als es mir die Hand reinzog, dachte ich zuerst: Das wars! Ich spürte den Schmerz und fing an, «Stopp!» zu schreien. Zum Glück reagierte mein Vorarbeiter schnell. Doch als die Walze zurückdrehte, sah ich schon, wie der Ärmel meines Pullis schlaff nach unten hing. Das Blut spritzte heraus, und ich schrie: «Meine Hand ist weg! Meine Hand ist weg!» Sofort machte mir mein Vorarbeiter mit seinem Pulli einen Druckverband, und die Mitstiftin alarmierte die Ambulanz. Vom Nachbarsgebäude eilte eine Frau herbei, die mir mit ihrem Gürtel schliesslich den Arm abband. Mir war sofort bewusst: «Jetzt ändert sich dein Leben um 180 Grad.»
Doch schnell wurde mir klar: Es macht keinen Sinn, über meine fehlende Hand nachzudenken. Ich werde auch in 50 Jahren einhändig sein. In der Rehabilitation lernte ich jemanden kennen, der Arm und Bein verloren hatte. Bei einem anderen waren fast 90 Prozent des Körpers verbrannt. Mir wurde bewusst: Es gibt so viel Schlimmeres!
Nach dem Unfall brach ich die Lehre als Landschaftsgärtner ab. Heute arbeite ich in einem Sportgeschäft. Das ist genau mein Ding. Bei der Arbeit trage ich eine Prothese. Dann merken die Leute meist gar nicht, was los ist. Es kam aber schon vor, dass ein Kind weinen musste, als es im Laden meine Prothese sah. Den Eltern war das unangenehm. Aber für mich ist das kein Problem. Dann hole ich einfach einen Kollegen, der die Kunden bedient.
Sport ist meine Leidenschaft. Ich fahre Snowboard, skate, klettere und fahre Downhill-Strecken mit dem Bike. Mir ist bewusst, dass ich damit auch Risiken eingehe. Erst kürzlich habe ich mir bei einem Sturz die linke Hand verstaucht. Wenn man nur noch eine Hand hat, ist das natürlich nicht ideal. Aber wieder aufzustehen, gehört für mich dazu.
In der ersten Zeit nach dem Unfall habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie man als Einhändiger bei anderen Leuten ankommt. Aber das war zum Glück kein Problem, auch bei Frauen nicht. Mit meiner Freundin bin ich seit eineinhalb Jahren zusammen. Beim Kennenlernen redeten wir lange miteinander. Nur meine Hand war kein Thema. Das fand ich sehr schön.
Ich spüre meine fehlende Hand, als ob sie noch da wäre. Es fühlt sich an, als stecke sie im Stumpf drin. Manchmal juckt es mich an einem der Finger, die ja gar nicht mehr da sind. Dann weiss ich genau, wo am Stumpf ich drücken muss, um mir Erleichterung zu verschaffen. Es mag seltsam klingen – aber wenn ich an den Unfalltag zurückdenke, spüre ich ein tiefes inneres Glück. Der Unfall hat mich wachgerüttelt fürs Leben: Ich schätze es heute viel mehr als vorher. Und ich mache häufiger das, was ich wirklich will.
Landschaftsgärtner: Ein gefährlicher Beruf
Der Beruf Landschaftsgärtner ist gefährlich: Pro Jahr erleidet jeder sechste Landschaftsgärtner mit Vollpensum einen Unfall. Das zeigen Zahlen der Unfallversicherung Suva. Sie verzeichnet jährlich 3300 Unfälle von Landschaftsgärtnern. Die meisten gleiten aus oder werden von Gegenständen getroffen. Noch riskanter ist die Forstwirtschaft: Dort verunfallt pro Jahr sogar jeder vierte Beschäftigte.
Informationen und Beratung:Suva.ch, Tel. 0848 820 820 (8 Rp. pro Minute)