Lässig spricht ein Dr. Drill die Benutzer des Internet-The-rapieprogramms «Novego» an. Ob es einem gut gehe, hänge vor allem vom Selbstwertgefühl ab, sagt der schick gekleidete Doktor in einem Video. Arbeit schaffe Selbstvertrauen und eine gesunde Tagesstruktur. Die Videos mit Dr. Drill lockern das Programm auf. Es dauert 12 Wochen. Wöchentlich liefert «Novego» Tipps für Freizeitaktivitäten, für die Pflege von sozialen Kontakten oder zum Entspannen. Es erklärt zudem, wie Depressionen entstehen.
Im Internet gibt es rund ein halbes Dutzend solcher Programme gegen Depressionen. Alle sind ähnlich aufgebaut: Nach der Anmeldung klicken sich die Benutzer durch eine Abfolge von Texten, Videos, Bildern und Fragebögen. Die Programme sollen Depressiven helfen, ihr Befinden zu verbessern.
Drei Experten bewerteten die Programme
Solche Internet-Therapien taugen allerdings wenig – das zeigt der Vergleich des Gesundheitstipp. Dabei bewerteten der Zürcher Psychoanalytiker Markus Fäh, der Psychiater Peter Bäurle aus Fruthwilen TG und die Zürcher Psychologin Claudia Arter insgesamt sechs Therapien (siehe Tabelle im PDF).
Laut den Fachleuten helfen die Programme Betroffenen nicht, unbewusste Anteile von psychischen Problemen zu verarbeiten. Doch das sei wichtig für eine erfolgreiche Psychotherapie, sagt Markus Fäh. Denn unbewusste seelische Vorgänge seien oft die eigentliche Ursache von Depressionen. Nur ein Psychologe sei in der Lage, diese aufzuspüren und zu bearbeiten.
Immerhin genügend schnitt im Vergleich «Moodgym» ab. Claudia Arter gefällt die übersichtliche, einfache Gestaltung. Peter Bäurle sagt, das Gratis-Programm sei auf ein junges, gebildetes Publikum zugeschnitten.
Ebenfalls genügend ist im Urteil der Experten «Novego». Laut Markus Fäh enthält es konkrete, lebensnahe Ratschläge. Zudem sei es locker und lebendig aufgebaut. Claudia Arter bemängelt aber die grosse Materialfülle. Das könne gewisse Teilnehmer überfordern.
Knapp ungenügend waren die Programme «Hellobetter» und «Deprexis». Eine neue Studie zeigte bei «Hellobetter» zwar einen Nutzen. Doch einige Studienverfasser sind nicht unabhängig: Sie haben finanzielle Verbindungen zum Hersteller. Markus Fäh hält die Inhalte von «Hellobetter» für zu allgemein und zu wenig vertieft. Bei «Deprexis» vermisst der Experte Tipps zum Verhindern von Rückfällen.
Am schlechtesten schnitten «Selfapy» und «I Fight Depression» ab. Bei «Selfapy» bemängeln die Experten die Hintergrundinfos zu Depressionen als oberflächlich. Die Tipps für Aktivitäten in der Freizeit und für soziale Kontakte seien zu wenig ausführlich. Ähnlich beurteilen die Experten «I Fight Depression»: Peter Bäurle sagt, das Programm wirke «sehr schematisch». Die Gestaltung sei grau und langweilig. Das könne Depressionen noch verstärken. «I Fight Depression» ist gratis zugänglich – sofern ein Arzt das Programm verordnet hat.
Grosse Mängel beim Datenschutz
Bei allen Programmen geben die Benutzer heikle Daten zu ihrer Gesundheit preis. Das Problem: Wer solche Daten ins Internet eingibt, hat keine Macht mehr darüber. Im schlimmsten Fall gelangen sie zur Krankenkasse oder zu anderen Versicherungsunternehmen. Das kann beim Abschliessen von Zusatzversicherungen, privaten Unfall- oder Taggeldversicherungen für Probleme sorgen. Deshalb ist der Datenschutz besonders wichtig.
Die Rechtsberatung des Gesundheitstipp prüfte, wie ernst die Programme gemäss eigenen Angaben den Datenschutz nehmen. Dabei zeigten sich grosse Mängel. Die meisten Programme leiten die Daten an Unternehmen wie Facebook und Google weiter. Zudem erkennen die Programme den Computer des Benutzers.
Der Hersteller von «Novego» sagt, die Teilnehmer würden die Vielfalt an Informationen und Übungen schätzen. Das Programm könne auch unbewusste Gedanken ansprechen. Man unterstütze die Teilnehmer mit einem virtuellen Coach und mit E-Mails. «Moodgym» sagt, das Programm sei für alle Altersgruppen nützlich. Das hätten Untersuchungen gezeigt.
Laut einer Sprecherin ist «Hellobetter» ein Präventionstraining zur Selbsthilfe bei leichten depressiven Beschwerden. Für akute Depressionen biete man ein zusätzliches Training an. «Hellobetter» gebe keine personenbezogenen Daten an US-Konzerne weiter. Der Hersteller von «Deprexis» sagt, es enthalte zwar keine Tipps zum Verhindern von Rückfällen, aber eine Zusammenfassung. Studien hätten den Nutzen des Programms bewiesen.
«Selfapy» sagt, das Programm ermögliche Telefongespräche und Chats mit Psychologen. So sei es möglich, auch unbewusste Gedanken zu bearbeiten. Der Hersteller von «I Fight Depression» sagt, mit Hörbeiträgen und Videos wolle man das Programm ansprechender gestalten. «Deprexis», «I Fight Depression» und «Selfapy» versprechen zudem, den Datenschutz zu verbessern.
Gratis-Merkblatt: «Depressionen bekämpfen»
Zum Herunterladen unter www.gesundheitstipp.ch oder zu bestellen bei: Gesundheitstipp, «Depressionen», Postfach, 8024 Zürich.