Seit seiner Jugend leidet Hans-Beat Lüscher aus Bad Schinznach AG an der Scheuermann-Krankheit – einer Fehlentwicklung der Wirbelsäule. Im Büro muss er zudem viel sitzen, das verstärkte seine Beschwerden. Immer wieder musste er zur Therapie ins Kurbad, doch der Schmerz kam zurück. «Vor 30 Jahren bekam ich dann vom Sportlehrer meines Sohnes den Rat, den Schwerkrafttrainer auszuprobieren», sagt Lüscher. Seitdem benutzt ihn der heute 67-Jährige jeden Morgen. Während 2 bis 3 Minuten hängt er dann angeschnallt und mit dem Kopf nach unten im Gerät. Das entlastet die Wirbel und entspannt die Muskulatur. Hans-Beat Lüscher hält sich zudem mit Wandern fit. Sein Fazit: «Ich musste seitdem nie mehr zur Kur, und der Schmerz kam nicht mehr zurück.»
Patienten möchten, dass man den Rücken streckt
Die Fitness-Industrie bietet mittlerweile unzählige Rückengeräte an. Sie sollen im akuten Schmerzstadium helfen, aber auch vorbeugen, indem sie die Muskulatur stärken. Doch viele Geräte bringen den Patienten kaum etwas. Das zeigt ein Vergleich des Gesundheitstipp. Er liess die Prinzipien der acht verbreitetsten Geräte-Arten von zwei Experten beurteilen: Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser aus Zürich und Physiotherapeutin Monika Conus vom Bieler Wirbelteam (siehe Tabelle).
Ihr Urteil: Gegen akute Schmerzen hilft nur der Schwerkrafttrainer. Conus: «Er kann die Bandscheiben entlasten und die Rückenmuskulatur dehnen.» Ihre Erfahrung zeige: Die meisten Patienten mit akuten Rückenschmerzen möchten, dass man ihren Rücken streckt. Allerdings sind solche Geräte mit 300 bis 500 Franken nicht gerade billig. Zudem haben ältere und gebrechliche Menschen Mühe, auf den Schwerkrafttrainer zu steigen.
Kein Training bei akuten Schmerzen
Die anderen häufig verkauften Geräte eignen sich nicht bei akuten Schmerzen. Sportarzt Walter O. Frey von der Uniklinik Movemed-Balgrist in Zürich: «Bei akuten Schmerzen ist kein Training sinnvoll.» Die Muskulatur funktioniere nicht, wenn ein Schmerz da sei: «Man muss zuerst mit einer Therapie den Schmerz bekämpfen, erst dann kann man mit einem Trainingsaufbau beginnen.»
Doch auch zum Vorbeugen eignet sich laut Fachleuten nur gerade knapp die Hälfte der Geräte:
- Das Thera-Band stärkt Muskelpartien gezielt.
- Der Therapie-Kreisel fördert die Beweglichkeit des Rumpfs.
- Das Ballkissen stärkt die Rumpfmuskulatur sowie die Fähigkeit zur Bewegungs-Koordination.
- Das Balance-Pad kann Verspannungen lösen.
Im Gegensatz dazu trainieren Schwingstab, Lumbaltrainer und Trainingsbank die Muskeln nur oberflächlich oder benötigen einen Kraftakt – es sei ein «Gewürge», wie es Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser nennt.
Zum Vorbeugen ist vor allem der Aufbau der Rückenmuskulatur wichtig, denn sie schützt und stützt die Bandscheiben. Früher stand hier reines Krafttraining im Vordergrund. Heute empfehlen Experten wie Walter O. Frey «die Koordination und die Stabilisierung des Rückens durch die Muskulatur.» Dazu braucht man allerdings kein Gerät. Im Alltag klappt das am besten durch richtiges Sitzen und durch Bewegung. Walser: «Wer den Rücken schonen will, sollte entspannte, lockere Bewegungsabläufe und Haltungen in den Alltag einbauen und Dauerstress vermeiden.»
Programme wie Rolfing, Feldenkrais, Alexandertechnik oder Polarity sind nützliche Helfer. Auch Ballkissen können von Vorteil sein. Sie sind eine instabile Unterlage und fördern die Koordination.
Es ist zudem nicht sicher, dass die Schmerzen mit einem Gerät schneller verschwinden. Deshalb empfiehlt sie Monika Conus nicht für den Eigengebrauch, denn: Wer ein Trainingsgerät nicht korrekt einsetze, schade seinem Rücken möglicherweise mehr als ihm Gutes zu tun. Conus: «Viele Patienten kommen zu uns, weil sie sich nicht mehr bewegen können – die Übungen haben sie total blockiert.»
Wer trotzdem ein Gerät ausprobieren möchte, sollte nicht allein auf die Werbung oder Empfehlungen von Fremden hören, sagt Conus: «Vertrauen Sie nur jemandem, der das Gerät selbst einsetzt und Erfahrung damit hat.» Anderenfalls sollte man es sich zum Testen nach Hause mitgeben lassen.
Viele Hersteller und Vertreiber der Rückengeräte wollten sich zu Kritiken nicht äussern. Finnlo schreibt, mit ihrer Trainingsbank könne man «alle wichtigen Rückenmuskeln» trainieren. Das sei «unabdingbar» für einen gesunden Rücken. Dr. Wolff schreibt, ihr Lumbaltrainer sei einer der «meistverkauften Rückentrainer Europas» und auch für die Krankengymnastik geeignet. Medidor sagt, sie verkaufe den Sport-Swing-Stab von Sissel auch an medizinische Fachleute. Kybun schreibt, ihre Balanciermatte helfe nicht bei akuten Schmerzen. Die Hersteller des Dynair-Ballkissens und des Airex- Balance-Pads raten, bei akutem Schmerz den Arzt aufzusuchen.
TIPPS: So beugen Sie Rückenschmerzen vor
- Treiben Sie regelmässig Sport.
- Vermeiden Sie Stress.
- Vermeiden Sie Übergewicht.
- Ändern Sie beim Sitzen immer wieder die Position.
- Vermeiden Sie einseitige Bewegungsabläufe.
- Stehen Sie im Büro immer mal wieder auf und bewegen Sie sich.
- Gehen Sie beim Bücken oder Hochheben in die Knie und lassen Sie die Oberschenkel arbeiten.