Julianne Moore spielt im Film «Still Alice» eine Professorin, die an Alzheimer erkrankt. Plötzlich vergisst die 50-Jährige einzelne Wörter und verliert beim Joggen die Orientierung. Immer mehr entgleitet ihr dann die Kontrolle über ihre Erinnerungen, die Gedanken und ihr Leben. Der Film rüttelte auf, Moore erhielt einen Oscar für ihre Rolle. Kein Wunder – Demenz hält die Welt in Atem. Auch die Schweiz. Das Bundesamt für Gesundheit schätzt, dass es hier rund 100000 Menschen mit Demenz gibt. Bis 2030 soll sich diese Zahl fast verdoppeln. Da erstaunt es kaum, dass viele nach Mitteln suchen, um sich zu schützen. Studien liefern ständig neue Belege zur angeblichen Wirksamkeit und Hersteller lancieren vielversprechende Produkte. Beliebt sind pflanzliche Präparate, die man oft rezeptfrei erhält (siehe Tabelle im PDF).
Doch keines dieser Mittel nützt wirklich. Dies zeigt ein Vergleich des Gesundheitstipp. Heilpflanzenexperte Martin Koradi aus Winterthur ZH kritisiert: «Es gibt kaum wissenschaftliche Studien dazu.» Auch Michael Gagesch, Spezialist für Altersmedizin am Uni-Spital Zürich, ist skeptisch: «Die Hersteller machen viele Versprechungen, halten können sie nur wenige.»
Extrakte aus den Blättern des Ginkgobaumes sollen zum Beispiel die Durchblutung im Hirn verbessern und helfen, dass man sich besser erinnern und konzentrieren kann.
Das deutsche Institut für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen bestätigt, dass Ginkgo dazu beiträgt. Allerdings nur, wenn man es in der hohen Tagesdosis von 240 Milligramm einnehme, bei 120 Milligramm sei die Wirkung nicht belegt. Der St. Galler Arzt und Alzheimerspezialist Ansgar Felbecker sagt: «Von allen pflanzlichen Mitteln wirkt Ginkgo noch am besten.» Doch nütze es vor allem im Frühstadium von Demenz, wenn sich erste Symptome wie Zerstreutheit oder Vergesslichkeit zeigten.
Studien oft mit zu wenigen Teilnehmern
Johanniskraut soll Zellen des Immunsystems aktivieren, die Alzheimer-Plaques im Gehirn abbauen und so die geistige Leistung und den Orientierungssinn verbessern. Doch beim Johanniskraut ist zu wenig belegt, ob es vor Demenz schützt. Dasselbe gilt für Kokosöl, Ginseng oder Moringa.
Zwar gibt es zu allen Mitteln wissenschaftliche Studien, die auf einen Nutzen hindeuten. Einige wurden nur an Tieren durchgeführt und bei anderen war die Teilnehmerzahl so gering, dass Experten wenig davon halten. Felbecker: «Die Studien genügen kaum dem wissenschaftlichen Standard.» Einen ähnlichen Schluss zogen Fachleute der unabhängigen Cochrane Collaboration, nachdem sie mehrere Studien verglichen hatten.
«Vitamin D kann Demenz kaum vermeiden»
Kürzlich erregte Vitamin D Aufsehen: Es könne das Demenzrisiko reduzieren, titelten zahlreiche Zeitschriften, etwa «Der Spiegel». US-Forscher hatten herausgefunden, dass Leute mit wenig Vitamin D im Blut ein deutlich höheres Risiko für Demenz haben. Das Sonnenvitamin soll dafür sorgen, dass Nervenzellen im Gehirn besser funktionieren, länger leben und stärker wachsen.
Doch Altersmediziner Michael Gagesch sagt: «Allein mit Vitamin D kann man die Entwicklung einer Demenz kaum vermeiden.» Als Ergänzung zu Massnahmen wie gesunder Ernährung könne es bei gewissen Patienten aber einen positiven Effekt auf das Gedächtnis haben.
Die Experten sind sich einig: Wer sich schützen will, sollte auf eine gesunde Lebensweise setzen. Eine mediterrane Ernährung mit Olivenöl, Früchten, Gemüse und wenig Fleisch verhindert, dass das Gedächtnis nachlässt. Dies wiesen schottische Forscher kürzlich in einer Studie mit knapp 1000 Teilnehmenden nach. Gagesch: «Das regelmässige Essen von Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten und Nüssen kann zu einem gesunden Hirnstoffwechsel beitragen.»
Gleichzeitig sollte man sein Gehirn trainieren und soziale Kontakte pflegen. Dann kann man sich besser an Vergangenes erinnern und sich länger konzentrieren. Alzheimerspezialist Ansgar Felbecker rät: «Machen Sie einen Sprachkurs oder spielen Sie Schach.»
Auch Tanzen schützt vor dem Vergessen. Gagesch: «Die Bewegung und komplexen Schrittfolgen zu Musik fördern nachweislich das Gehirn.» Das belegen viele Studien.
Moderates Ausdauertraining zum Vorbeugen
Auch Sport verbessert die Durchblutung des Gehirns und versorgt es mit Sauerstoff. Forscher vermuten, dass dies Gedächtnis und Koordination fördert. Die Cochrane Collaboration wertete Studien dazu aus und zog das Fazit: Sport kann Demenz vorbeugen. Felbecker rät zu moderatem Ausdauertraining, mindestens zweimal pro Woche.
Rezirkane-Herstellerin Zeller und Ginsor-Dragées-Herstellerin UB Interpharm sagen zur Kritik der Fachleute, ihre Präparate seien nur zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit zugelassen. Burgerstein schreibt, dass Fischöl wirke. Und IQ-Memory-Kapseln-Herstellerin Alpinamed schreibt: Das Produkt erhebe nicht den Anspruch, eine Demenz zu verhindern oder die Symptome zu verbessern.
Panax-Import, Herstellerin der Kapseln mit Ginseng-Extrakt, und Schwabe Pharm (Tebofortin und Tebokan), schreiben, ihre Mittel seien nicht gegen Demenz zugelassen. Laut Permamed ist Deprivita nur für die Behandlung von Depressionen zugelassen.
Yelasai teilt mit, Moringa könne bei entsprechender Dosierung einem B-Vitamin-Mangel entgegenwirken. Und Naturkraftwerke hält fest, ihr Moringapulver wirke unbestritten positiv.