Das italienische Mineralwasser Dolomia soll etwas ganz besonderes sein. Laut dem Hersteller sei es eines der sehr seltenen Mineralwässer, die basisch sind. «Das ist nützlich, um die Übersäuerung des Körpers zu reduzieren», heisst es auf der Website der Firma Acqua Dolomia. Das Wasser gibt es bei Jelmoli zu kaufen. Ein Liter kostet stolze Fr. 5.20.
Auch Internetshops preisen basische Mineralwässer aus aller Welt an: Naturitas.ch verkauft «Agua de Monchique» aus einer Quelle in Portugal. Es soll die Säuren im Körper verringern, die Folgen des Alterns bremsen und vor Harnsäuresteinen schützen. Weitere Basenwasser stammen aus Gletscherwasser, zum Beispiel Iceis aus Island. Es soll perfekt sein fürs Entschlacken und die sportliche Leistung, schreibt die Firma Iceis. Kosten: rund 4.75 Franken pro Liter. In den USA lockt das Geschäft mit Basenwasser sogar einen Grosskonzern wie Nestlé: Er kaufte letztes Jahr die Basenwassermarke Essentia.
Doch basisches Wasser ist kein Gesundbrunnen. Zu diesem Schluss kommen Experten des unabhängigen Forschernetzwerks Cochrane in Österreich. Es sei nicht bewiesen, dass Basenwasser die Gesundheit fördere, Krankheiten verhindere oder gar heile. Es gebe nur wenige, schlecht gemachte Studien dazu. «Grosse Effekte durch basisches Trinkwasser sind nicht wahrscheinlich», so die Wissenschafter.
Kommt hinzu: Selbst gewöhnliches Leitungswasser ist oft leicht basisch, zum Beispiel in Zürich, Bern oder Basel. Dieses Basenwasser gibt es gratis aus dem Hahnen. Trotzdem verkaufen einige Händler Tropfen, um das Leitungswasser noch basischer zu machen. Zum Beispiel die «Alka Tropfen» der Firma Alkavitae. Damit liessen sich «angehäufte Säuren in Körper und Gelenken» lösen. Je älter man werde, desto mehr übersäuere der Körper. Die «sauren Abfallstoffe» seien die Ursache von Schmerzen und Müdigkeit.
Zusätze im Wasser sind nicht harmlos
Fachleute halten das für Angstmacherei. Martin Koradi, Experte für Pflanzen- und Naturheilkunde aus Winterthur ZH, sagt: «Man muss die Leute zuerst krankreden, damit man ihnen etwas verkaufen kann.» Die Theorie von der Übersäuerung sei fragwürdig. «Sie untergräbt das Vertrauen in den eigenen Körper.»
Zudem sind Basentropfen nicht harmlos. Sie enthalten oft Kaliumhydroxid. Das ist eine starke, ätzende Base, die Haut und Augen schwer schädigen kann. Hersteller Alkavitae schreibt, dass man die Basentropfen nicht unverdünnt in Augen, Mund oder auf die Haut geben darf. Bei Kontakt mit den Augen müsse man diese sofort spülen und den Arzt aufsuchen.
Unbestritten ist: Wer viel Fleisch und Käse isst, belastet den Körper mit Säuren. Diese entstehen, wenn man Eiweiss verdaut. Neben Fleisch und Milchprodukten verursachen deshalb auch Fisch und Vollkorngetreide Säuren im Körper. Das fordert die Lungen und die Nieren. Sie müssen die überflüssigen Säuren entsorgen. Dies passiert, indem man sie als Kohlendioxid ausatmet. Die Nieren scheiden Säure über den Urin aus.
Bei gesunden Menschen funktioniert das Ausscheiden von Säuren problemlos. Im Alter wird es jedoch schwieriger. Dann werden Nieren und Lunge schwächer. Alexander Ströhlke, Ernährungswissenschafter an der Leibniz Universität in Hannover (D), sagt, dass stark saures Essen dann den Knochen schaden kann. Der Grund: Der Körper löst Kalzium aus den Knochen, um die Säuren zu binden. «Langfristig steigt das Risiko für Osteoporose», so Ströhlke. Zudem gebe es Hinweise, dass eine dauerhaft saure Ernährung Nierensteine und Diabetes Typ 2 fördert.
Feigen, Spinat und Pilze entlasten den Körper
Das ist ein Grund mehr, viel Gemüse, Salat und Früchte zu essen. Sie enthalten nicht nur gesunde Stoffe wie Vitamine und Fasern. Dank den vielen Mineralien bilden sie beim Verdauen Basen, welche die Säuren neutralisieren. Das entlastet den Körper. Besonders stark basisch wirken zum Beispiel getrocknete Feigen, Spinat, Peperoni und Bananen. Auch Kartoffeln und Pilze sind basisch. Laut Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung wirken auch einige Mineralwassersorten basisch. Das gilt für jene mit einem Gehalt von über 600 Milligramm Hydrogencarbonat pro Liter, wie etwa Rhäzünser, Passugger und Vichy.
Wissenschafter haben mit Versuchen und Berechnen ermittelt, wie sauer bestimmte Lebensmittel beim Verdauen wirken. Daraus haben sie die Pral-Werte ermittelt (siehe rechts). Der Wert zeigt, wie stark ein Lebensmittel die Nieren belastet. Bei einem hohen Wert wirkt das Lebensmittel sauer. Ein negativer Wert zeigt, wie stark basisch es ist. Es kann im Körper Säuren binden. Fachleute raten, die Pral-Werte nur als Orientierungshilfe zu verstehen. Es gibt keinen Grund, ganz auf saure Lebensmittel zu verzichten.
Die Firma Iceis schreibt, dass ihre Kundschaft von guten Erfahrungen mit dem Basenwasser berichte und weniger Sodbrennen, Migräne und Muskelkrämpfe habe. Zudem verweist Geschäftsführer Torsten Kowitz auf eine Studie der Universität Halle-Wittemberg (D). Diese habe gezeigt, dass sich die Leistung beim Sport mit dem Wasser messbar steigern lasse. Allerdings erschien die Studie nie in einem geprüften Fachjournal. Es nahmen lediglich 18 Personen daran teil.
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Diese Lebensmittel wirken basisch
Der sogenannte Pral-Wert gibt an, wie stark ein Lebensmittel sauer wirkt und damit die Nieren belasten kann. Negative Werte stehen für basische, hohe Werte für saure Lebensmittel.
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