Mögen Sie Menschen?
Ja, ich mag Menschen sehr gern.
Auf der Website des Badmeisterverbands steht, dies sei die wichtigste Voraussetzung, um Badmeister zu werden.
Das stimmt. Man muss Menschen mögen – und zwar alle Generationen.
Wieso?
Weil wir für die Sicherheit im Bad verantwortlich sind. Hält sich jemand nicht an die Regeln, müssen wir ihn darauf hinweisen. Freundlich, aber bestimmt.
An einem schönen Sonntag sind viele Leute im Wasser. Haben Sie überhaupt eine Chance, die Übersicht zu behalten?
Ja, es fällt sofort auf, wenn etwas nicht stimmt. Man spürt, wenn es irgendwo unruhig wird. Die Leute werden nervös, schreien, oder man bemerkt eine seltsame Bewegung im Wasser.
Was ist der nächste Schritt?
Wir drücken den SOS-Knopf. Einer von uns Badmeistern springt ins Wasser. Das Team kommt zusammen, einer holt den Notfallrucksack, ein anderer die Trage. Jeder weiss, was er zu tun hat, bis die Sanität vor Ort ist.
Kommt es oft zu Notfällen?
Ja, wir müssen häufig Leute aus dem Fluss oder dem Rechen holen.
Aus dem Rechen?
Ja, man ist in der Limmat der Strömung ausgesetzt. Sie hat manchmal eine solche Mordsgewalt, dass Kinder und ältere Leute dann oft nicht die Kraft haben, sich aus dem Rechen zu befreien.
Was passiert dann?
Manche Schwimmer schlagen ihre Knie an den Gitterstäben auf oder bleiben mit dem Fuss im Rechen hängen. Sie sind blockiert und kommen nicht aus dem Wasser.
Wie ziehen Sie sie raus?
Wir springen ins Wasser, stellen uns hinter die Schwimmer und nehmen so den Wasserdruck weg. Dann erklären wir ihnen schrittweise, wie sie auf die Leiter und somit aus dem Wasser kommen.
Haben Sie schon mal jemandem das Leben gerettet?
Ja, zweimal. Ich rettete ein Kind und einen jungen Mann. Beide konnten nicht schwimmen.
Was war mit dem Kind passiert?
Badegäste riefen um Hilfe, als es Wasser schluckte, nach Luft japste und immer wieder abtauchte. Ich zog es ans Ufer.
Und der junge Mann?
Er ging unter wie ein Stein. Blitzschnell. Noch heute erinnere ich mich daran, wie sehr er sich wehrte, als ich ihn rettete. Er hatte Todesangst. Irgendwie schaffte ich es dennoch, ihn herauszuziehen.
Wie fühlten Sie sich dabei?
Der Adrenalinspiegel stieg an. Ich war aufgewühlt und angespannt. Danach brauchte ich Zeit, um herunterzukommen – und Gespräche.
Sie sind schon sehr lange Badmeister. Warum?
Als Kind ging ich mit meinem Vater oft baden. Die Stimmung an Seen und Flüssen liebe ich bis heute.
Zur Person
Heinrich Stadler
Nach der Rekrutenschule trat der heute 61-Jährige seine erste Stelle als Badmeister an. Er blieb seinem Beruf treu: Seit 23 Jahren ist Stadler Betriebsleiter des Flussbades Unterer Letten in Zürich.