Schaltet Sascha Zimmermann die Geräte für kabelloses Internet in seiner Wohnung ein, schlägt das Messgerät sofort nach oben aus: 1500 Millivolt pro Meter zeigt das Gerät von Mess-Ingenieur Peter Schlegel an. Der Elektrosmog-Experte stellt fest: «Dieser Wert ist extrem hoch.» Die Messwerte in Zimmermanns Wohnung bewegen sich bis zum Tausendfachen über dem Elektrosmog-Richtwert der Baubiologen. Demnach reagieren sensible Personen auf Elektrosmog ab Werten von 6 Millivolt pro Meter.
Der Grund für die hohen Werte: Sascha Zimmermann lädt die neusten Filme über kabelloses Internet auf seinen Digital-Fernseher herunter. Rund zwanzig weitere Elektrogeräte in seiner Wohnung sind mit kabellosem Internet verbunden – vom Digitalradio über Lautsprecher bis zum Drucker und zur Spielkonsole. Sascha Zimmermann ist ein Technikfreak, moderne Elektrogeräte sind sein Hobby.
Doch auch in andern Wohnungen gibt es viel hausgemachten Elektrosmog. Das zeigen Messungen des Gesundheitstipp. Der renommierte Messfachmann Peter Schlegel hat in drei Wohnungen und einem Einfamilienhaus den Elektrosmog gemessen. Konkret untersuchte der Fachmann: die hausgemachte Strahlenbelastung von kabellosem Internet, von Schnurlostelefonen, Funkverbindungen zwischen Computer, Tastatur, Computer-Maus und Handy und Internet über die Steckdose.
Viele Menschen spüren auch schon tiefe Werte
Dabei stellte Schlegel auch im Wohnzimmer von Katja Richard hohe Strahlenwerte fest – der Maximalwert lag bei happigen 630 Millivolt pro Meter. In den Schlafzimmern war der Wert mit 150 Millivolt zwar deutlich tiefer. Doch auch dieser Wert ist gesundheitlich bedenklich.
Die Strahlen können Herzrasen, Schwindel, stechende Kopfschmerzen, Unruhe auslösen. Dies sind die häufigsten Symptome im Zusammenhang mit Elektrosmog. Mindestens jeder Zwanzigste leidet in der Schweiz im Zusammenhang mit elektromagnetischer Strahlung darunter.
Rund die Hälfte der Bevölkerung äussert sich beim Thema Elektrosmog besorgt um die eigene Gesundheit – ohne selber gesundheitliche Beschwerden zu haben. Das zeigt eine im letzten Jahr veröffentlichte Untersuchung des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin in Bern.
Diese Sorgen sind berechtigt. Denn immer mehr unabhängige Studien weisen darauf hin, dass Elektrosmog Menschen krank machen kann. Die internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation bewertet Funkstrahlen mittlerweile als «möglicherweise krebserregend».
Bei den Messungen des Gesundheitstipp fiel auf: Die grössten Belastungen gehen von kabellosem Internet aus, dem sogenannten WLAN. Dabei handelt es sich um eine aggressive Strahlungsart, so Schlegel: «Zahlreiche Beschwerden und Schlafstörungen sind Ausdruck davon. Die Strahlen greifen das Nervensystem besonders stark an.» Schlegels Erfahrung zeigt: «Wo kabelloses Internet installiert ist, gibt es am häufigsten gesundheitliche Probleme.»
Peter Kälin, Präsident des Vereins Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz, sagt: Bei ihrem Beratungstelefon berichteten Menschen regelmässig, dass sie in Räumen mit kabellosem Internet an Herzrasen, Übelkeit und Konzentrationsstörungen leiden würden. «Ich bin sehr besorgt über die massive Zunahme der Funkbelastung im Alltag.»
Ein Grund für diese hohen Belastungen sind die sogenannten Kombiangebote der Telekomfirmen: Ein einziges WLAN-Modem reicht für Computer, Telefon, Handy, Fernseher und vieles mehr. Es versorgt die eigenen vier Wände mit einer Internetverbindung bis in die hintersten Winkel. Ein solcher Anschluss strahlt in den meisten Wohnungen rund um die Uhr. So auch bei Katja Richard. Sie verliess sich auf die Arbeit eines Angestellten einer Telekomfirma: «Ich dachte deshalb, es sei alles in Ordnung.» Sie war sich der Belastung ihrer kabellosen Heiminstallation nicht bewusst.
Die freischaffende Journalistin hat ihr Netzwerkgerät für WLAN aufgrund der Messung entfernt. Ins Internet gelangt sie seither wieder über Kabel. Bei dieser Variante gibt es keinen Elektrosmog (siehe Tabelle rechts). Wer nicht auf WLAN verzichten, aber die Strahlung reduzieren möchte, kann die Sendeleistung des Netzwerkgeräts verringern. Braucht man WLAN nicht, soll man es gemäss Schlegel immer abschalten.
Alte Schnurlostelefone strahlen andauernd
Auch Schnurlostelefone gehören zu den Quellen, die massiv Elektrosmog abgeben können. Grund: Die Basisstationen von DECT-Telefonen älteren Typs strahlen rund um die Uhr. Das zeigte auch die Messung bei Sascha Zimmermann. In seinem Arbeitszimmer strahlte die Basisstation der vier dazugehörenden Handapparate mit 500 Millivolt pro Meter. Mittlerweile gibt es Telefone, die deutlich weniger Strahlen abgeben. Ihre Basisstation strahlt nur dann, wenn der Benutzer telefoniert. In den anderen drei Wohnungen waren solche Telefone installiert. Telefone mit Kabel strahlen überhaupt nicht.
Doch auch Computer können Strahlenschleudern sein: Grund dafür sind Funkverbindungen, die es ermöglichen, ohne Kabel mit Tastatur und Maus zu arbeiten. In der Fachsprache nennt sich das Bluetooth. Schlegel rät, bei den Einstellungen die Bluetooth-Funktion zu deaktivieren – sowie Maus und Tastatur mit Kabelanschluss zu verwenden.
«Powerline-Technik strahlt ebenfalls»
Aber auch die sogenannte Powerline-Technik hat es in sich. Verschiedene Firmen bewerben sie zurzeit als strahlungslose Alternative zum kabellosen Internetzugang. Dabei muss man nur einen speziellen Adapter in die Steckdose stecken – und schon hat man in der ganzen Wohnung übers Stromnetz Internetempfang. Doch gemäss Peter Schlegel hat diese Technik ihre Tücken: Die elektrischen Leitungen des Hauses strahlen die Signale in alle Zimmer ab. «Die Strahlung von Powerline kann in den einzelnen Räumen gleich stark sein wie bei einem WLAN-Anschluss.»
Das Ehepaar Heck liess sich Powerline installieren. Beide reagieren stark auf elektromagnetische Strahlen – und versuchen sich so gut wie möglich davor zu schützen. Powerline erschien Markus Heck deshalb als eine gute Lösung. Doch nach der Messung von Peter Schlegel entfernte er die Powerline-Stecker sofort. Stattdessen verlegte er normale Netzwerkkabel. Die Massnahme wirkte. Eine Woche nach der Messung berichtet Markus Heck: «Wir schlafen endlich gut. Auch das konstante Pfeifen in der Wohnung ist weg.»
Nebst dem selbstverursachten Elektrosmog kann auch jener aus der Nachbarschaft beträchtlich sein, wie die Messungen zeigen. Bei Annette Frei strahlt ein Schnurlostelefon des Nachbarn mit 80 Millivolt pro Meter in ihren Hausteil herüber. In Sascha Zimmermanns Schlafzimmer mass der Fachmann gar einen Wert von 260 Millivolt pro Meter – die Strahlenquelle ist ein fremdes Telefon. Die gepulsten Wellen strahlen von nebenan durch die Mauer herein. Ein Wert von über 200 Millivolt pro Meter gilt nach der baubiologischen Richtwertskala als «extrem auffällig». Schlegel rät, mit den Nachbarn das Gespräch zu suchen. Häufig könne man sie dazu bewegen, ein Schnurlostelefon zu kaufen, das weniger Strahlen aussendet, oder das kabellose Internet zumindest immer nachts abzustellen.
Schwieriger wird es, wenn die Strahlen von einer Mobilfunkantenne kommen, wie das in Zumikon bei Annette Frei der Fall ist. Die Antenne strahlt mit 250 Millivolt pro Meter in das Elternschlafzimmer. Im Zimmer des zweijährigen Sohnes mass der Messingenieur 100 Millivolt pro Meter. Auch bei Familie Heck strahlt eine Antenne in der Nachbarschaft. Markus Heck hat deshalb die Wände vor einem Jahr mit spezieller Abdeckfarbe gestrichen. Er hat damit erreicht, dass ihre Wohnung nahezu von den Strahlen abgeschirmt ist.
«Die Belastung so gering wie möglich halten»
Vor zwei Jahren musste das Paar aufgrund massiven Elektrosmogs aus ihrer Wohnung wegziehen. Die Belastung der Strahlen aus den 80 umliegenden Wohnungen wurde zu gross. Das Ehepaar geht davon aus, dass ihre Körper mit den Jahren darauf zu reagieren begannen. In der neuen Wohnung verzichten sie auf WLAN und Schnurlostelefon. Die Handys stellen sie in den eigenen vier Wänden konsequent ab.
Experten warnen davor, sich während Jahren hohem Elektrosmog auszusetzen. Für den deutschen Physiker und Politiker Klaus Buchner steht ausser Zweifel: «Je länger man starkem Elektrosmog ausgesetzt ist, desto eher reagiert man auch darauf.» Er rät deshalb: «Die Belastung durch Elektrosmog sollte man so gering wie möglich halten.»
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Sascha Zimmermann
Wohnt in Zürich in einem Mehrfamilienhaus mit fünf Wohnungen
Gemessener Maximalwert: 1500 Millivolt pro Meter (mV/m)
«Ich bin überrascht, wie hoch die Strahlung ist. Ich habe aber keine Angst, mir geht es gesundheitlich gut. Ich bin ein Technik-Freak. Die WLAN-Basisstation und ein Verstärker sorgen dafür, dass etwa zwanzig Geräte kabellos über das Internet betrieben werden. In der Nacht braucht unser WLAN jedoch nicht zu strahlen – ab Mitternacht bis morgens um 8 Uhr ist es deshalb ausgeschaltet. Ich habe das so programmiert.»
Markus Heck
Wohnt in der Region Basel in einem Mehrfamilienhaus mit drei Wohnungen
Gemessener Maximalwert: 6 mV/m
«Meine Frau und ich litten wegen Elektrosmog während Jahren an schweren gesundheitlichen Problemen. Seit wir vor zwei Jahren aus einem Block mit 80 Wohnungen ausgezogen sind, geht es uns viel besser. Mein hoher Blutdruck und die Entzündungen im Magen-Darm-Bereich sind weg. Den Elektrosmog der anderen haben wir hier nicht mehr. Die Nachbarn kauften uns zuliebe ein Schnurlostelefon, das nicht konstant strahlt, und sie schalten in der Nacht ihr WLAN ab.»
Annette Frei
Wohnt in Zumikon ZH in einem Einfamilienhaus
Gemessener Maximalwert: 90 mV/m
«Wir haben zwei Anschlüsse für kabelloses Internet im Haus, einen im Keller und einen im Dachgeschoss. Wir glaubten, das sei für die drei Stockwerke nötig. Ich bin froh, dass der Elektrosmog in den Schlafzimmern schwach ist. Einzig die Werte der Handy-Antenne gegenüber bereiten mir Sorgen: Die Antenne strahlt offenbar stark ins Kinderzimmer. Um uns davor abzuschirmen, malen wir die Wände allenfalls mit Spezialfarbe an.»
Katja Richard
Wohnt in Zürich in einem Mehrfamilienhaus mit 15 Wohnungen
Gemessener Maximalwert: 630 mV/m
«Ich liess kabelloses Internet installieren, um überall in der Wohnung ins Netz zu gelangen. Das habe ich aufgrund der Messung geändert. Ich habe das Netzwerkgerät entfernt. Ins Internet gelange ich mit meinem Computer jetzt wieder per Kabel. Noch habe ich aber eine kabellose Tastatur und Maus – die per Bluetooth mit dem Computer verbunden sind. Das strahlt kräftig. Doch ich verkable das vielleicht auch noch. Angst vor Elektrosmog habe ich nicht.»