«Freiheit für Patienten»
PRO Albert Wettstein, alt Zürcher Stadtarzt, Vizepräsident Alzheimervereinigung Kanton Zürich
Der Einsatz eines GPS-Senders ist für eine verwirrte Person sinnvoll, die es liebt, allein spazieren zu gehen, aber den Heimweg nicht immer findet. Ein GPS-Sender gibt solchen Patienten Freiheit. Er ermöglicht ihnen, weiterhin ihren Bewegungsdrang ausleben zu können, ohne Gefahr zu laufen, bei einem etwaigen Verirren in Panik zu geraten. Sowohl die verirrten Personen als auch die Angehörigen leiden sehr unter solchen Situationen. Ein GPS-Sender kann dieses Leiden verhindern.
Nicht alle dementen Patienten sind allerdings in der Lage, den Nutzen des Senders zu verstehen. Sie sind deshalb im gesetzlichen Sinn nicht urteilsfähig, einer solchen Massnahme zuzustimmen. Doch das neue Erwachsenenschutzrecht regelt diese Situation und sieht auch vor, dass eine andere Person einen solchen Entscheid in Vertretung des Patienten fällen kann. Sollte jemand diese Macht missbrauchen, kann zudem jeder bei der zuständigen Behörde, der Kesb, eine Gefährdungsmeldung machen. Also wie in jeder anderen Situation, in welcher Vertretungsberechtigte gegen die Interessen und das Wohl von Personen entscheiden, die nicht mehr urteilsfähig sind.
Natürlich gibt es nichts Gutes, das nicht auch missbraucht werden kann. Das gilt für ein chirurgisches Skalpell ebenso wie für die meisten Medikamente – und auch für einen GPS-Sender für Demenzkranke. Kommt dazu: Es gibt bereits viele andere Massnahmen, die die Freiheit von Dementen massiv einschränken können – etwa die Abgabe bestimmter Medikamente oder gar das Einschliessen der Patienten. Im Vergleich dazu ist ein GPS-Sender viel weniger heikel.
«Nicht genug Schutz»
KONTRA Viktor Györffy, Rechtsanwalt, Präsident des Vereins Grundrechte.ch
Ein GPS-Sender überwacht die demente Person auf Schritt und Tritt und schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein. In eine derart einschneidende Massnahme müssen Betroffene grundsätzlich einwilligen.
Doch gerade bei demenzkranken Menschen ist es nicht immer einfach festzustellen, ob sie noch urteilsfähig sind. Das wirft Fragen auf: Ist die betroffene Person selbst in der Lage zu entscheiden, ob sie einen solchen Sender tragen will? Wer schätzt dies ein? Wer entscheidet an ihrer Stelle?
Es ist zu bezweifeln, ob der Entscheid für einen GPS-Sender in jedem Fall im Interesse der Demenzkranken getroffen wird – oder eher aus Eigeninteresse der entscheidungsberechtigten Personen. Bequemlichkeit oder eine übermässige Neigung, Risiken zu begrenzen, können Motive sein.
Diese neue Technik setzt eine ungute Dynamik in Gang. Pflegepersonal und Angehörige könnten geneigt sein, die betroffene Person unter Druck zu setzen, einen Sender zu tragen, ihr allenfalls androhen, dass sie sonst in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werde. Ältere Menschen sollen ihre Bewegungsfreiheit soweit möglich behalten können.
Unbestritten: Demenzkranke können sich unterwegs verirren oder stürzen. Das ist für Betreuer ein Dilemma: Man will mit dem GPS-Sender Risiken begrenzen und doch die Bewegungsfreiheit nicht einschränken.
Die Risiken lassen sich aber auch mit einem GPS-Sender nicht einfach beseitigen; er kann Patienten nicht genügend schützen, etwa Zwischenfälle wie Stürze verhindern. Man wird mit diesen Risiken leben müssen. Es wäre falsch, wenn der GPS-Sender zum bequemen Ausweg wird, um sich dieser Auseinandersetzung im Alltag zu entziehen.
Aufruf: Soll man demente Patienten mit dem GPS-Sender ausrüsten?
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