Männer oben ohne, Frauen meist nur im Sport-BH – den Trainierenden schlägt Hitze entgegen: Auf 40 Grad ist der Raum im Zürcher Studio Bikram Yoga aufgeheizt. Das soll Muskeln, Gelenke und Sehnen beweglicher machen, Verletzungen vermindern sowie den Körper entgiften.
Die Lektion beginnt mit Atemübungen. Dann folgen «Heuschrecke» oder «halbe Schildkröte» – das sind Figuren, die die Gelenke aufwärmen und nähren, die Organe dehnen und die Seele reinigen sollen. Nach 90 Minuten ist die Lektion zu Ende und alle komplett nass geschwitzt. Der Betreiber des Studios, Stefan Tanner, ist überzeugt: «Erst mit dieser Wärme kann Yoga heilen.» So soll es etwa die Durchblutung verbessern oder bei psychischen Problemen helfen.
Doch nun zeigt eine neue Studie: Bikram-Yoga ist nicht besser als Yoga bei normaler Raumtemperatur. US-Forscher von zwei texanischen Universitäten teilten 52 Teilnehmer in Gruppen auf: Die erste praktizierte Bikram-Yoga, die zweite Yoga bei Raumtemperatur. Nach drei Monaten untersuchten die Wissenschafter, wie stark sich die Gefässe der Teilnehmer erweitert und sich somit die Durchblutung verbessert hatten. Ergebnis: Die Gefässe wurden bei beiden Yoga-Gruppen dehnbarer – ein Unterschied liess sich nicht feststellen.
Schon frühere Studien lassen den Nutzen von Bikram-Yoga fraglich erscheinen. So zeigte eine Untersuchung aus dem US-Bundesstaat Colorado, dass die Teilnehmer durch Bikram-Yoga zwar ihre Fitness verbesserten. Dies schreiben die Forscher aber der Bewegung zu, nicht der Hitze. Die Herzgesundheit habe sich nicht verbessert. Eine weitere US-Studie kam zum Schluss, dass bei jungen Erwachsenen die Blutgefässe dehnbarer wurden, bei älteren hingegen nicht.
«Die Temperatur hat kaum einen Einfluss»
Sportarzt Walter O. Frey von Balgrist Movemed der Zürcher Universitätsklinik Balgrist sagt: «Gelenke und Muskeln wärmen sich vor allem auf, indem man sie bewegt. Die Temperatur der Umgebung hat dabei kaum einen Einfluss.» Zudem würden Organe und Stoffwechsel bei gewohnter Temperatur am besten arbeiten. «Es gibt keinen gesundheitlichen Nutzen für Aktivitäten weit darüber, wie dies beim Bikram-Yoga der Fall ist.»
Auch Roland Haag, Präsident des Schweizer Yogaverbands, spricht sich gegen Bikram-Yoga aus: «Ich empfehle es niemandem.» Die Hitze könne für Leute mit Herz-Kreislauf-Problemen gefährlich sein. Ein Problem sei auch, dass ein Durchgang 90 Minuten dauert: «Eineinhalb Stunden bei dieser Hitze kann selbst Gesunde herausfordern.» Margareta Stühl aus Grenchen SO, Gründerin des Schweizer Yoga-Zentrums, sieht dies ähnlich: Man nehme wegen der Hitze die Warnsignale des Körpers weniger gut wahr und spüre oft erst später, ob man die Muskeln überdehnt habe.
Studio-Betreiber Stefan Tanner sagt, sie hätten viele Kunden «mit Wehwehchen, die beim normalen Yoga nicht weiterkommen». Die Wärme erlaube ihnen Bewegungen, die bei normaler Raumtemperatur nicht möglich wären.
Übrigens: Yoga-Übungen lassen sich gut zu Hause machen. Der Gesundheitstipp hat für seine Leserinnen und Leser zwölf einfache Übungen zusammengestellt (siehe Merkblatt im PDF). Bereits eine halbe Stunde Yoga täglich kann die Haltung verbessern und vor Rückenproblemen schützen.