Theo Maurer, Sie setzen Ihr Leben aufs Spiel, um andere Menschen zu retten. Sind Sie lebensmüde.
Das stimmt nicht. Ich bin nicht bereit, mein Leben aufs Spiel zu setzen. Das könnte ich nicht verantworten gegenüber meiner Familie.
Aber bei Rettungsaktionen passieren immer wieder Unfälle. Im August starb ein Bergretter in der Nähe von Brienz.
Das war schlimm für mich. Er war ein Mitglied meines Teams. Niemand weiss genau, was passierte. Vermutlich ist er im steilen Wald ausgerutscht, als er zusammen mit anderen Rettern in der Nacht einen verirrten Wanderer suchte.
Waren Sie dabei?
Nein, ich war im Wallis. Erst am nächsten Morgen erfuhr ich, dass ein Kollege schwer verunfallt war. Drei Tage später erlag er seinen Verletzungen im Spital. Solche tragischen Unfälle passieren aber selten.
Aber nachts ist das Risiko für Sie grösser. Dann sehen Sie das Gelände weniger gut.
Das stimmt. Gefahren wie Gletscherabbrüche oder Steinschlag kann ich in der Nacht nicht so gut beurteilen wie am Tag. Auch Flüge mit dem Helikopter sind gefährlicher, weil der Pilot Hindernisse weniger gut sieht.
Sind Sie oft nachts unterwegs?
Ja. Viele Wanderer und Bergsteiger rufen uns erst an, wenn es dunkel wird. Dann bekommen sie Angst und merken, dass sie nicht mehr weiterkommen. Es wäre besser, wenn sie uns früher anrufen würden. Dann könnten wir sie zu Fuss oder mit dem Helikopter noch bei Tageslicht evakuieren. Oder wir könnten ihnen Tipps geben, in welche Richtung sie gehen sollen.
Warum sind Sie Bergretter geworden?
Es ist für mich befriedigend, wenn ich Menschen in Not helfen kann. Es ist auch ein spannender Beruf: Kein Einsatz ist gleich wie der andere. Wir müssen unter Zeitdruck entscheiden, was wir machen sollen: Ist es richtig, sofort auszurücken, oder ist es besser zu warten? Oft hängen Menschenleben davon ab. Manchmal erwache ich in der Nacht und überlege, ob ich richtig entschieden habe.
Sind Sie auch schon vergeblich ausgerückt?
Nicht immer können wir Leben retten. Im März erhielt ich einen Notruf, weil ein Mädchen oberhalb Meiringen über einen Felsen gestürzt war. Zusammen mit dem Notarzt versuchte ich, das Mädchen zu reanimieren. Aber es war nichts mehr zu machen. Das war für mich besonders tragisch. Denn ich kannte die Familie. Nach dem Einsatz war ich traurig und verzweifelt.
Wie verarbeiten Sie solche Erlebnisse?
Es hilft mir, mit meiner Frau und mit meinem Rettungsteam über das Erlebte zu sprechen. Meine Retterkameraden, mit denen ich immer zusammen unterwegs bin, sind für mich wie eine Familie.
Zur Person - Theo Maurer
Er ist seit 13 Jahren Rettungschef in Meiringen BE. Oft macht er Einsätze mit dem Helikopter. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Ausbildung der Mitarbeiter der Alpinen Rettung Schweiz. Theo Maurer ist verheiratet und Vater von drei Buben.