Elizabeth Valera aus Oberengstringen ZH entschied sich vor rund zehn Jahren, die Brüste vergrössern zu lassen. Sie ahnte nicht, worauf sie sich einliess. Denn bald nach der Operation kamen die ersten Beschwerden. Sie litt unter Bauchkrämpfen. Plötzlich vertrug sie viele Lebensmittel nicht mehr. «Von Weizen, Zwiebeln, Knoblauch, Laktose und Früchten mit viel Fruktose bekam ich schmerzhafte Krämpfe», erinnert sich die 45-Jährige. Sie ass nur noch weissen Reis, gekochte Eier, Fisch oder Kartoffeln. «Ich ernährte mich wie ein Baby.»
In der Nacht schwitzte sie stark, sie litt unter Schlaflosigkeit, Muskelverspannungen im Nacken, trockenem Mund und trockenen Augen. «Ich war verzweifelt und weinte viel, weil ich nicht wusste, was mit mir los war», sagt Valera.
Dann stiess Valera diesen Frühling auf eine US-amerikanische Website, die Informationen zu einer neuen Krankheit lieferte: die «Breast implant illness», auf Deutsch Brustimplantate-Krankheit. Tausende von Frauen aus der ganzen Welt schildern dort ihre Leidensgeschichte und Beschwerden, die sie auf die Implantate zurückführen. Als Valera dies las, war für sie klar: «Das kann kein Zufall sein. Ich habe die gleichen Symptome.»
«Mein Albtraum ist endlich beendet»
Elizabeth Valera entschied sich, die Silikonimplantate aus der Brust herausoperieren zu lassen. Im vergangenen Mai ging sie zum Chirurgen. «Nun ist mein Albtraum endlich beendet», sagt sie. Fünf Wochen nach der Operation normalisierte sich ihre Verdauung. «Es war wie ein Wunder», erinnert sie sich. Heute lebt sie ohne Beschwerden.
Auch andere Leserinnen meldeten sich beim Gesundheitstipp: Emma Franke (Name geändert) aus Rüti ZH zum Beispiel liess vor zehn Jahren ihre Brüste vergrössern. Vor drei Jahren taten ihr zuerst ihre Gelenke weh. Dann kamen Bauchkrämpfe, Durchfall, Schwindel- und Taubheitsgefühle hinzu. Zudem hatte sie oft einen trockenen Mund und trockene Augen.
Studien: Silikonpartikel führen zu Beschwerden
Einige Ärzte warnen inzwischen vor den Silkonimplantaten – zum Beispiel der Rheuma-Arzt Jan Willem Cohen Tervaert von der University of Alberta in Kanada. Er wies 2017 in einer Studie nach: Drei von vier Frauen, die Probleme wegen ihren Brustimplantaten hatten, litten an der Brustpimplantate-Krankheit. Sie hatten Gelenkschmerzen, Nachtschweiss, einen trockenen Mund, trockene Augen und klagten über Müdigkeit. Tervaert veröffentlichte die Studie in der Fachzeitschrift «Current Opinion in Rheumatology».
Die Ursache für die Beschwerden laut Tervaert: Silikonpartikel lösen sich vom Implantat und verteilen sich in Muskeln, Nerven und Gehirn. Das zeigte sein Team in weiteren Untersuchungen an Verstorbenen. Der Rheuma-Arzt ist überzeugt, dass Silikonpartikel aus intakten Polstern austreten, sich im Körper verteilen und zu Beschwerden führen.
Tervaert wies auch nach, dass Frauen mit Silikonimplantaten ein höheres Risiko haben, an Autoimmunkrankheiten und Rheuma zu erkranken. Die in der Fachzeitschrift «International Journal of Epidemiology» veröffentlichte Studie bezog über 100 000 Frauen mit ein. Tervaerts Fazit: «Heute lässt sich nicht sagen, dass Brustimplantate sicher sind.»
Trotzdem wollen die meisten Fachgesellschaften und Schönheitschirurgen die Brustimplantate-Krankheit nicht anerkennen. So erwähnt sie die Schweizerische Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie mit keinem Wort. Die Zürcher Schönheitsklinik Tiefenbrunnen gibt eine Broschüre zur Brustvergrösserung heraus. Auch dort ist die Krankheit mit keinem Wort erwähnt.
Der US-amerikanische Verband der Schönheitschirurgen sagt, für die Krankheit gebe es «keine Diagnose». Die steigende Zahl von Patientinnen, die angeblich krank seien, hänge mit dem Verbreiten solcher Behauptungen im Internet zusammen. Natürliches Silikon könne zwar das Immunsystem aktivieren, doch das Silikon in der Brust sei völlig anders. Es gebe keine Hinweise, dass es Krankheiten verursache.
Das Entfernen der Implantate ist teuer
Dennoch ist für viele Schönheitschirurgen klar: Bei Symptomen, wie sie Patientin Elizabeth Valera schildert, müssen die Implantate raus. Schönheitschirurg Enrique Steiger von der Clinic Utoquai in Zürich bestätigt: «Wenn mir eine Patientin solche Leiden schildert, dann muss man die Implantate entfernen.»
Die Kosten der Operation sind happig: Sie betragen laut Steiger 14000 bis 18000 Franken. In manchen Fällen übernehmen die Krankenkassen einen Teil der Kosten. Die aufwendige Wiederherstellung der Brüste müssen die Frauen aber selber zahlen.
Viele Fachleute raten Frauen mit bestimmten Krankheiten deshalb ab, sich die Brüste vergrössern zu lassen. Dazu zählen alle Formen von Autoimmunkrankheiten, Rheuma oder Allergien.
Auch der Schönheitschirurg Steiger räumt ein: Ein Silikonpolster sei ein Fremdkörper in der Brust, der das Immunsystem irritieren könne. Für ihn ist klar: «Man sollte gesundheitliche Probleme nicht provozieren.» Der Zürcher Schönheitschirurg Cedric George erklärte kürzlich gegenüber dem «Tages-Anzeiger»: «Wenn man mit Implantaten nie Probleme haben will, sollte man keine einsetzen lassen.»
Weitere Infos
Die Selbsthilfegruppe silikongeschädigter Frauen verfügt über Kontakte zu Ärzten, welche die Brustimplantate-Krankheit ernst nehmen.
Internet: www.ssf-info.ch
E-Mail: mail@ssf-info.ch
Aufruf: Haben Sie Erfahrung mit Silikonimplantaten?
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