Seit zwei Jahren rechnen alle Schweizer Spitäler nach dem Fallpauschalen-System ab. Die Spitäler erhalten einen fixen Betrag pro Patient – egal, wie krank dieser ist. Lange war unklar, welche Folgen dies für die Patienten hat. Jetzt zeigt eine neue Studie der Reha-Klinik Barmelweid AG: Die Fallpauschalen können dazu führen, dass Spitäler die Patienten früher und in einem schlechteren Zustand in die Rehabilitation schicken. Die Mitarbeiter der Barmelweid verglichen die Daten aller herz- oder lungenkranken Patienten, die in den Jahren 2011 – im letzten Jahr vor der Umstellung auf Fallpauschalen – und 2012 in die Klinik eingetreten waren. So kamen Daten von gegen 300 Patienten zusammen.
Rund die Hälfte der Patienten konnte nach einer Herz-Bypass-Operation noch nicht selbständig Treppen steigen, als sie in die RehaKlinik kamen. Das sind mehr als doppelt so viele wie vor der Umstellung auf Fallpauschalen. Und: Die Patienten waren im Durchschnitt zwei Tage weniger lang im Spital als vor der Einführung der Fallpauschale.
Fachleute sind beunruhigt. Wilhard Kottmann, Direktor der Rehaklinik Seewis GR, sagt: «Zu uns kommen jetzt kränkere Patienten mit mehr Problemen, etwa Wundheilungsstörungen.» Die Folge davon ist, dass man die Patienten aufpäppeln muss, bevor sie am Rehabilitationsprogramm teilnehmen können. Kottmann: «Das erschwert die Rehabilitation.» Zudem musste die Rehaklinik Seewis laut Kottmann zusätzliches Personal einstellen, weil die Klinik mehr Einzeltherapien durchführen muss.
Reha-Kliniken: Mehr Ärzte für die Patienten
Erika Ziltener, Präsidentin der Schweizerischen Patientenstellen, kritisiert: «Die kürzeren Spitalaufenthalte führen dazu, dass Leistungen und Kosten zu den RehaKliniken verschoben werden.» Das bestätigt Beat Voegeli, kaufmännischer Leiter der Rheinburg-Klinik Walzenhausen AR. Die Klinik stellte letztes Jahr neu eine Ärztin für Innere Medizin ein. Dazu kommt: Weil die Patienten früher überwiesen werden, müssten die Kliniken auch in technische Einrichtungen investieren, sagt Burga Martinelli von der Reha-Klinik Bellikon AG. Wie gross der finanzielle Mehraufwand ist, können die vom Gesundheitstipp angefragten Reha-Kliniken nicht sagen.
Die schlechtere Gesundheit der Patienten ist für die Ärzte alarmierend. Hugo Saner, Leitender Arzt der Uni-Klinik für Kardiologie im Berner Inselspital: «Spitäler entlassen jetzt offensichtlich mehr Patienten in einem Zustand, der es ihnen verunmöglicht, direkt nach Hause zu gehen. Das bereitet mir Sorgen.» Diese Entwicklung müsse dringend korrigiert werden. Physiotherapeut Gilbert Büsching von der Klinik Barmelweid, einer der Autoren der Studie, bestätigt dies und ergänzt: «Das ist für die Genesung sicher nicht optimal.» Die Patienten müssten bei der Entlassung aus dem Spital Treppen steigen können. Büsching fragt sich, ob die Spitäler jetzt bei der Physiotherapie sparen.
Thomas Lüscher, Direktor der Herzklinik am Zürcher Uni-Spital, sagt, dass die Aufenthaltsdauer im Spital «in der Regel» dem Bedarf entspreche: «Vielleicht hat man früher manche Patienten zu lange im Spital belassen.» Das Wiedererlangen der Mobilität und der Fitness sei «primär die Aufgabe der RehaKliniken».
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