Vitamin K2 gilt als neues «Wundervitamin». Wer im Alter gesunde Knochen haben will und sich vor Herz-Kreislauf-Krankheiten schützen möchte, brauche ein solches Präparat – das behaupten die Hersteller. «Das geht in die Knochen!», wirbt etwa Burgerstein für ihr K2-Präparat.
Dr. Jacob’s Medical und Phytomed verkaufen ähnliche Produkte.
Unabhängige Experten sagen, die Werbung sei irreführend. Laut dem deutschen Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser ist «nicht belegt, dass Vitamin K2 vor Knochenbrüchen und Herzkrankheiten schützt». Hinzu kommt: «Wer sich einigermassen ausgewogen ernährt, nimmt genügend Vitamin K2 auf», sagt Präventivmediziner David Fäh von der Berner Fachhochschule. Vitamin K2 steckt in Fleisch und Milchprodukten, etwa im Emmentalerkäse. Zusätzlich entsteht es durch Gärungsprozesse im Darm.
K2-Präparate können sogar riskant sein. Wer Blutverdünner wie Marcoumar oder Xarelto nimmt, sollte keine solchen Mittel einnehmen. Wolfgang Becker-Brüser: «Sie können die Wirkung von Blutverdünnern senken.» Das gilt insbesondere für hochdosierte Präparate wie das von Burgerstein. Eine Kapsel deckt mehr als das Doppelte des Tagesbedarfs.
Hinter dem Hype um K2 steht die norwegische Firma Nattopharma. Sie verkauft Vitamin-K2-Kapseln weltweit. Im Jahr 2018 erzielte sie damit laut ihrem Jahresbericht einen Gewinn von 700 Millionen Franken. Andere Hersteller sprangen auf diesen Zug auf. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit erlaubte ihnen im Jahr 2008, Vitamin-K2-Produkte in Europa zu vermarkten. Nattopharma gab den Anstoss, dass die Behörde Abklärungen machte. Seither darf sie in der Werbung einen Zusammenhang zwischen Vitamin K2 und gesunden Knochen erwähnen. «Das ist sehr positiv für die weitere Markteinführung in Europa», jubelte die Firma in einem internen Bericht von 2009.
Pharmafirma finanziert Studien zu K2
Damit nicht genug: Nattopharma finanziert Untersuchungen der Uni Maastricht in Holland. Deren Professoren liefern Studien, welche die angeblichen Vorzüge von Vitamin K2 belegen. So zeigten sie dieses Jahr, dass man Kalzium nur aufnehmen könne, wenn man genügend Vitamin K2 habe. Die Studie erschien in der Zeitschrift «Frontiers in Cardiovascular Medicine». Nattopharma griff das Resultat in der Werbung auf. Brüchige Knochen und ein krankes Herz seien keine Alterserscheinungen, sondern «Zeichen eines Mangels an Vitamin K2», heisst es auf ihrer Website.
Nattopharma schreibt, Studien hätten gezeigt, dass täglich 45 Mikrogramm Vitamin K2 gut sei für Knochen und Gefässe. Diese Menge sei übers Essen kaum zu decken. Seit 2006 würden die Firma und die Uni Maastricht «im Tandem» zusammenarbeiten, sagt Nattopharma. Die Forschung habe die Marke «vorangebracht».
Burgerstein schreibt, Studien hätten positive Effekte auf Knochen und Gefässe gezeigt. Die Firma stützt sich auf Studien, die von Nattopharma finanziert wurden. Hersteller Dr. Jacob’s sagt, Vitamin K2 sei in Japan eine Standardtherapie bei Osteoporose. Leon Schurgers von der Uni Maastricht schreibt, vor Beginn einer Zusammenarbeit halte man fest, dass die Resultate auch dann veröffentlicht würden, wenn sie für die Firma negativ ausfallen.
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