Für Patienten mit chronischer Migräne sind Schmerzmittel keine Lösung. Denn die Attacken kommen bei ihnen fast jeden zweiten Tag – und das über Monate. Die Nebenwirkungen von Schmerzmitteln sind aber zu stark, als dass man sie über eine so lange Zeit nehmen könnte.
Doch neue Studien zeigen: Wer die richtige Therapie wählt, kann Zahl und Stärke der chronischen Anfälle deutlich verringern. Dies schrieb kürzlich das renommierte Fachblatt «British Medical Journal». Andreas Gantenbein von der Rehaklinik Zurzach und Präsident der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft sagt: «Bis anhin untersuchten die meisten Studien die Therapien nur bei Migräne, die weniger oft auftrat, nicht bei der chronischen Form.»
Topiramat und Botox wirken gut
Die neuen Studien zeigen, dass bei chronischer Migräne Medikamente mit dem Wirkstoff Topiramat am besten wirken. Allerdings hat auch dieses Medikament Nebenwirkungen. Die Folgen einer längerfristigen Therapie sind zudem nicht untersucht. Auch Botox kann die Nerven beruhigen. Es ist jedoch umstritten und gegen Migräne in der Schweiz nicht zugelassen. Bei beiden Wirkstoffen haben Studien gezeigt, dass sie bei Patienten die Zahl der chronischen Migräneattacken fast halbieren können. Epilepsiemittel mit den Wirkstoffen Gabapentin oder Valproinsäure sind zweite Wahl. Sie sind zudem nicht zugelassen, um Migräneattacken vorzubeugen, weil man sie erst an wenigen Patienten testen konnte.
Es gibt jedoch wirksame Alternativen zu den Medikamenten, auch sanfte. Laut einer Studie aus Taiwan führt Akupunktur dazu, dass Patienten pro Monat acht Tage weniger unter chronischer Migräne leiden. Zum Vergleich: Bei Topiramat sind es zehn Tage. Hier klagten aber zwei Drittel der Patienten über Nebenwirkungen. Bei der Akupunktur hatte bloss jeder siebzehnte Patient leichte Beschwerden durch die Behandlung.
Von elektrischen Reizen bis Ausdauersport
Auch ein elektrisches Reizen der Nerven kann die Migräne bremsen. Dazu setzt der Arzt ein kleines Gerät unter die Haut. Es sendet elektrische Signale an einen bestimmten Nerv, der sich direkt unter der Nackenhaut befindet. Der Reiz soll die körpereigene Schmerzabwehr aktivieren und so erreichen, dass der Körper weniger empfindlich auf Schmerzsignale reagiert. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt die Therapie allerdings nur, wenn andere Massnahmen nichts gebracht haben.
Magnesium ist ein weiteres Mittel, das vor Migräneattacken schützen kann. Ärzte verschreiben Patienten oft 300 Milligramm, jeweils für den Morgen und den Abend. Doch das ist nur bei Migränepatienten untersucht, die weniger als 15 Attacken pro Monat haben. Das Gleiche gilt für Massagen, Physiotherapie oder Entspannungstechniken wie Yoga oder progressive Muskelrelaxation. Dennoch raten viele Ärzte, man solle auch solche Therapien bei chronischer Migräne ausprobieren. Gantenbein: «Im Gegensatz zu den Medikamenten haben sie keine Nebenwirkungen.»
Grösster Risikofaktor, eine chronische Migräne zu entwickeln, ist der übermässige Gebrauch von Schmerzmitteln gegen die Migräneattacken. Bei rund der Hälfte der Patienten mit chronischer Migräne ist das die Ursache für ein chronisches Fortschreiten. Wer an mehr als zehn Tagen Schmerzmittel nimmt, so zeigen Untersuchungen übereinstimmend, gewöhnt den Körper daran und provoziert dadurch als Nebenwirkung einen Dauerkopfschmerz. Andere Auslöser sind Alkohol, Stress, Kaffee, zu wenig Flüssigkeitszufuhr oder unregelmässige Schlafenszeiten. Auch ein Mangel an Bewegung kann die Migräneattacken herbeiführen. Ein Kopfwehtagebuch hilft, diese Auslöser zu erkennen.
Sandoz Pharmaceutical, Herstellerin von Valproinsäure, bestätigt, das Mittel habe Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Zittern der Hände. Valproinsäure sei aber bewährt und gegen Epilepsie zugelassen. Ähnlich argumentiert Pfizer, Hersteller von Gabapentin.
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