Darmkrebs ist gefürchtet: In der Schweiz sterben jedes Jahr rund 1700 Patienten daran. Die Spezialärzte rufen deshalb immer wieder zum Vorsorgeuntersuch mit der Darmspiegelung auf. Dabei schiebt der Arzt eine Sonde mit einer Kamera durch den After und weiter bis zum Dünndarm.
Darmspezialist Lars Griem aus Winterthur ZH empfiehlt die Darmspiegelung allen Personen ab 50 Jahren «unabhängig vom familiären Risiko». Die Central-Praxis in Zürich rät ebenfalls allen über 50 dazu. Und die Praxis Balsiger, Seibold & Partner in Bern findet, man solle sich alle sieben bis zehn Jahre untersuchen lassen, «auch ohne Symptome». Der Eingriff kostet fast 700 Franken und wird von den Krankenkassen bezahlt.
Eine neue Studie gibt den Darmärzten Auftrieb. Forscher kommen im britischen Fachblatt «Lancet» zum Schluss, dass der Vorsorgeuntersuch leicht besser sei als angenommen: Von 1000 untersuchten Personen über 50 könne man immerhin vier von neun Todesfälle verhindern (siehe Tabelle im PDF). Die britischen Forscher prüften an mehreren Spitälern Zehntausende von Patientenakten.
Dennoch befürworten längst nicht alle Experten, dass nun jedermann eine Darmspiegelung machen lassen sollte. So auch Darmkrebsspezialist Urs Marbet vom Kantonsspital Uri. Die Gründe: Der Untersuch kann nicht alle Todesfälle verhindern. Zudem ist er unbequem, teuer und birgt auch Risiken. Patienten müssen vor dem Untersuch den Darm mittels Abführmittel entleeren. Die Darmspiegelung ist unangenehm. Deshalb geben Ärzte den Patienten oft ein Mittel, das sie sediert. Danach brauchen sie oft Unterstützung, auch auf dem Heimweg. Deshalb zögern viele, den Untersuch machen zu lassen.
Darmspiegelung: Gut für «Risikopatienten»
Kommt dazu: Bei mindestens jeder tausendsten Spiegelung verletzen Ärzte den Darm. In fast jedem dritten Fall ist deshalb gar eine Operation nötig. Dies belegt eine grosse Studie, die vor vier Jahren das Fachblatt «Gastrointestinal Endoscopy» veröffentlichte.
Gesundheitstipp-Arzt Thomas Walser rät deshalb nur «Risikopatienten» zur Darmspiegelung. Ein hohes Risiko liege dann vor, wenn Kinder sowie Eltern oder Geschwister vor dem 40. Lebensjahr an Dickdarmkrebs erkrankt sind. Oder wenn zwei enge Verwandte vor ihrem 70. Lebensjahr Dickdarmkrebs hatten.
Eine Alternative ist der Untersuch des Stuhls nach Blut. Diesen Test empfiehlt Arzt Walser – das erste Mal «ab 50 Jahren, danach alle ein bis zwei Jahre». Auch Darmkrebsspezialist Urs Marbet rät Personen ohne besonderes Risiko zum Stuhltest. «Es könnte sein, dass er mehr Fälle verhindert als die Darmspiegelung – weil ihn mehr Leute machen lassen.»
Stuhltest stellt acht von zehn Tumoren fest
Neuere Methoden des Tests erkennen deutlich mehr Tumoren als früher: acht von zehn. Bei der Darmspiegelung sind es neun von zehn.
Die unabhängige US-Organisation Preventive Service Task Force untersucht die Methoden und Therapien auf den Nutzen. Sie bewertet Darmspiegelung und Stuhluntersuchung als gleichwertig. Für den Basler Medizinstatistiker Heiner Bucher ist die Beweislage für beide Tests gar «sehr gut». Allerdings sollte man den Stuhltest alle zwei Jahre wiederholen.
Der Stuhltest ist wesentlich günstiger und angenehmer als eine Darmspiegelung. Die Grundversicherung übernimmt die Kosten. Nachteil des Stuhltests: Er kann falschen Alarm auslösen. Blut im Stuhl muss nicht zwingend von einem Tumor stammen, sondern kann auch von Hämorrhoiden oder einer Entzündung im Darm herrühren. Der Arzt wird dann vorsorglich eine Darmspiegelung anordnen. Umgekehrt bedeutet ein Stuhl ohne Blut auch keine vollständige Sicherheit: Nicht jeder Tumor verursacht Blutungen.
Martin Wilhelmi von der Central-Praxis schreibt dem Gesundheitstipp: Stuhltests seien halt nur «fast so gut» wie die Darmspiegelung. Die Praxis Balsiger, Seibold & Partner verweist auf die Empfehlung der Schweizerischen Gesellschaft für Gastroenterologie. Diese schreibt, die Darmspiegelung sei «am wirksamsten». Auch Lars Griem sagt, die Methode sei am sichersten, um sich vor Darmkrebs zu schützen. Mit dem Stuhltest könnte man gutartige Vorläufer, aus denen der Darmkrebs entsteht, übersehen. Zudem könne der Test Tumoren anzeigen, wenn gar keine vorhanden seien.