Sonntag Nachmittag, drei Uhr. Es ist ein sonniger Oktobertag. Oliver Spiess aus Embrach ZH und seine Familie haben sich mit Freunden in der Nähe des Flughafens Kloten getroffen. Ausgerüstet mit festem Schuhwerk und dem Smartphone. Die Kinder freuen sich auf den Ausflug: Denn jetzt geht es auf Schatzsuche.
Ihr Hobby ist Geocaching (sprich «Geokäsching»), eine unterhaltsame Schnitzeljagd mit Hilfe des Satelliten-Ortungssytems GPS. Damit lässt sich mit jedem Smartphone oder auch mit speziellen GPS-Empfängern feststellen, wo man gerade steht und wie man zum Ziel der Schatzsuche – dem «Cache» – gelangt. Dieser besteht aus einem kleinen oder grösseren Behälter. Darin befindet sich jeweils ein Zettel – das sogenannte Logbuch. Wer den Schatz gefunden hat, kann sich hier eintragen. Manchmal enthält der Behälter auch kleine Gegenstände wie Münzen und Schlüsselanhänger. Diese kann der Finder gegen Gleichwertiges tauschen.
Auf der ganzen Welt haben Freiwillige solche Caches versteckt, ingesamt über 2,5 Millionen. Tausende davon auch in der Schweiz. Es gibt sie an der Tramhaltestelle in der Stadt, unter einem Stein am Dorfbach, bei einem Baumstrunk im nahen Wald und sogar auf der Spitze des Matterhorns. Für jeden Schatzsucher ist etwas dabei: einfache Verstecke für Kinder wie auch raffinierte Rätseltouren für Tüftler. Einige Ziele sind mit dem Kinderwagen zugänglich, andere verlangen waghalsige Kletterpartien und sind nur für sportliche Abenteurer geeignet.
Oliver Spiess hat schon weit über 2000 Caches gefunden – rund um die Welt: in der Schweiz, in Singapur, auf Hawaii und in den Arabischen Emiraten. «Man entdeckt dank Geocaching wunderschöne Orte, wo man sonst nie hin- gefunden hätte», sagt Spiess. «Zudem bewegt man sich viel an der frischen Luft.»
Das Hobby macht fit und stärkt die Psyche
Erst kürzlich zeigte eine Studie aus den USA, dass Geocaching für die Gesundheit ein Gewinn ist. Die Forscher aus Texas statteten 1000 Geocacher mit einem Schrittzähler aus und befragten sie zu ihrer Gesundheit. Das Resultat nach einem Jahr: Dank ihres Hobbys waren die Teilnehmer jede Woche über zwei Stunden zu Fuss unterwegs. Zudem fühlten sie sich fitter und waren seltener psychisch angeschlagen.
Familie Spiess hat sich für diesen Sonntag einen Cache vorgenommen, der über mehrere Stationen führt und den Namen
«S goldig Tor» trägt. Der Start liegt auf der Ostseite des Flughafengeländes, am Rand eines Strässchens. Insgesamt gilt es zehn Posten zu finden. Wo sie liegen, sieht Spiess auf dem Bildschirm seines Smartphones: Rote Fähnchen auf der Karte zeigen die richtige Stelle.
An jeder Station gilt es ein Rätsel zu lösen und das Resultat zu notieren: «Wie viele stehende Holzmasten kannst du von hier aus sehen?» Beim Truppenübungsplatz zum Beispiel muss man «die Quersumme der Nummer am militärischen Übungsobjekt» ermitteln. Der letzte Posten ist beim «goldigen Tor», einem kleinen Weiher. Hier ist auf einem Schild die Sage vom Hirtenknaben zu lesen, den eine schöne Jungfrau ins Wasser gelockt hat. Die Kinder lauschen gebannt der Geschichte und lösen auch das letzte Rätsel im Nu.
Aus den Lösungszahlen berechnet Oliver Spiess jetzt die Koordinaten der Stelle, wo der Schatz versteckt liegt. Erneut bricht die Gruppe auf und wandert die letzten paar hundert Meter – über eine Brücke, am Wegrand den steilen Abhang hinunter Richtung Bach. Dann geht es blitzschnell. Die Kinder stürzen hinter einen Baum und halten den Schatz – ein Plastikröhrchen – hoch: «Gefunden!»
Wer Geocaching ausprobieren will, braucht einen Computer und ein Smartphone. Dann kann man innert Minuten loslegen. Für den Anfang wählt man am besten einen Cache mit Schwierigkeitsgrad 1 aus. Auch beim Terrain gibt es eine Skala von 1 bis 5. In schwieriges Gelände sollte man sich nur mit der nötigen Vorkenntnis wagen. Hier muss man zum Beispiel tauchen, durch enge Gänge kriechen oder sich abseilen, um den Cache zu finden.
Tour sorgfältig planen – und nichts riskieren
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung rät, sich beim Geocaching an die gleichen Regeln zu halten wie bei Bergtouren: Sorgfältig planen, die eigenen Fähigkeiten realistisch einschätzen und eine passende Ausrüstung gehören dazu. Unterwegs solle man überprüfen, ob zum Beispiel das Wetter oder die Tagesform die Sicherheit gefährden. «Im Zweifelsfall bricht man die Tour besser ab», rät Mediensprecher Rolf Moning.
In der Pflicht stehen auch jene Geocacher, die selber einen Schatz verstecken. Moning: «Sie sollten dies nicht in Gelände mit offensichtlichen Gefahren tun.» Tabu sind zum Beispiel Orte mit Steinschlagrisiko oder Sturmschäden sowie stark befahrene Strassen.
Auch der Natur und den Wildtieren sollte man Sorge tragen. Das Bundesamt für Umwelt sieht im Geocaching zwar «kein grundsätzliches Problem für die Umwelt». Rücksicht nehmen sollte man nicht nur in Naturschutzgebieten und Wildruhezonen. Auch nächtliche Schatzsuchen seien heikel, weil sie das Wild in Dauerstress versetzen können. Die Behörden raten zudem von Verstecken in Baumhöhlen und Höhlen ab. Sie seien der Lebensraum geschützter Tierarten, etwa von Eulen, Siebenschläfern und Fledermäusen.
So funktioniert die Schatzsuche
- Recherche am Computer: Auf www.geocaching.com anmelden und einen Cache als Ziel auswählen. Die Beschreibung genau studieren.
- Unterwegs zum Versteck: Das Smartphone oder GPS-Gerät zeigt den Weg bis nahe ans Versteck, z. B mit der App Geocaching Intro (gratis, die Vollversion kostet 10 Franken).
- Suche vor Ort: Das Versteck unauffällig suchen und die Schatzkiste heben. Unbeteiligte sollen nicht merken, wo der Schatz liegt.
- Fund mitteilen: Sich ins Logbuch eintragen, das beim Schatz liegt, sowie den Fund per Smartphone bestätigen.
- Schatz tauschen: Grössere Schatzkisten enthalten kleine Gegenstände wie Spielsachen, die man tauschen kann.
- Versteck verlassen: Die Schatzkiste wieder unauffällig genauso verstecken, wie man sie vorgefunden hat.