Von der Schizophrenie sind nur die Stimmen geblieben. Sie gehören Menschen, die ich kenne. Ihre Botschaften sind kurz und emotional, zum Beispiel: «Mach etwas!», wenn jemand Hilfe braucht. Oder wenn ich eine Zigarette rauche: «Braucht es das?»
Früher meldeten sich in meinem Kopf bis zu 20 Stimmen pro Tag. Das brachte mich total durcheinander. Heute sind sie vor allem vor dem Einschlafen da. Dann höre ich ihnen gern zu, weil sie von Menschen stammen, denen ich vertraue. Die Stimmen beruhigen mich, wenn ich an meinem Handeln zweifle. Und bei Problemen geben sie mir Tipps, was ich tun könnte. Früher waren Begegnungen mit Fremden oft schwierig, weil ich schüchtern war.
Mit 17 hörte ich die Stimmen zum ersten Mal. Bis dahin war ich fröhlich, hatte viele Kollegen und immer Ideen, was wir unternehmen könnten. Die Pubertät war ein gewaltiger Einschnitt. Ich hatte starke Akne. Ich verlor mein Selbstvertrauen, war neidisch auf andere und zog mich immer mehr zurück. Oft glaubte ich, dass die anderen mich beobachteten und über mich sprachen. Da hörte ich plötzlich die Stimmen: Sie gaben Ratschläge, wie ich wieder mehr Kontakt zu meinen Freunden haben könnte. Doch mir fehlte der Mut dazu. Ich wurde immer einsamer.
Dann hörte ich Botschaften von bekannten Persönlichkeiten. Die Stimmen sagten: «Wir bereiten dich auf eine wichtige Aufgabe vor.» Das tat mir unglaublich gut. Ich wurde so euphorisch, dass ich in der Schule davon erzählte. Meine Kollegen konnten damit nicht umgehen. Ich musste zum Schulpsychiater.
Kurz darauf realisierte ich, dass nicht alle Stimmen freundlich waren. Eine trieb mich gar zum Suizidversuch. Im Spital erschrak ich zutiefst. Ich nahm mir vor, dass die Stimmen nicht alles mit mir machen konnten. Die Ärzte wiesen mich in eine Klinik ein. Diagnose: Schizophrenie. Nach einem Jahr in der Klinik lebte ich vier Jahre in einer betreuten Wohngemeinschaft. So lernte ich, wieder Kontakte zu Menschen zu knüpfen und mir selbst und anderen zu vertrauen.
Als ich nicht mehr ständig an mir zweifelte, gingen die Stimmen zurück. Heute bin ich glücklich. Ich bin sehr froh, dass meine Partnerin sehr offen mit dem Stimmenhören umgeht. In ihren Augen gehört es zu mir, ist normal. Das gibt mir Sicherheit.
Seit fünf Jahren berate ich Betroffene und Fachleute über das Stimmenhören. Ich liess mich zum sogenannten Genesungsbegleiter weiterbilden. Die Idee: Menschen, die Erfahrung mit psychischen Krankheiten und dem Gesundwerden haben, sollen anderen helfen können. Ich möchte, dass Menschen, die Stimmen hören, darüber sprechen. Denn der Umgang mit den Stimmen entscheidet, ob man Probleme bekommt oder nicht.
Stimmenhören: Symptom bei der Schizophrenie
Schizophrenie beginnt mit kleinen Veränderungen wie Unruhe, Reizbarkeit. In einer akuten Psychose haben die Patienten Wahnvorstellungen, fühlen sich fremdgesteuert oder hören Stimmen. Gefühle verflachen. Psychotherapien und Medikamente dämpfen die Psychosen, heilbar sind sie nicht. Schizophrenieausbrüche können einmalig oder chronisch sein.
Rund 50 Prozent der älteren Patienten begehen Suizid.
Die Krankheit bricht oft im jungen Erwachsenenalter aus. Häufig ist sie erblich bedingt, Auslöser sind oft Schicksalsschläge wie Stellen- oder Partnerverlust.
Infos und Beratung Pro Mente Sana,
Tel. 0848 800 858
Netzwerk-stimmenhoeren.ch
Ex-in-bern.ch