Schmeckt etwas bitter, verzieht man automatisch den Mund. Das sei ein Urinstinkt des Menschen, sagt der Sensoriker Patrick Zbinden aus Rüschlikon ZH. «Würde der Brei eines Kindes bitter schmecken, würde es ihn reflexartig wieder ausspucken.» Das menschliche Gehirn erkenne die Geschmacksrichtung als giftig. Deshalb lernt man Bitteres wie Kaffee, Grapefruit oder Tonic Water häufig erst als Erwachsener zu schätzen.
Dass man mit fortschreitendem Alter doch noch auf den Geschmack kommt, ist gut. Denn viele Bitterstoffe sind sehr gesund (siehe Tabelle). Das gilt zum Beispiel für Senfölglycoside, die unter anderem in Rüben, Kresse, Rettich, Radieschen, Broccoli und Kohlrabi enthalten sind. Diese Gemüsesorten haben verschiedene Bitterstoffe, die der Gesundheit zugute kommen.
So schützen die Stoffe vermutlich die Zellen vor Krebs, hemmen das Wachstum von Bakterien und senken den Cholesterinspiegel, wie Adrian Rufener, Dozent für Ernährung und Diätetik an der Berner Fachhochschule, erklärt. «Deshalb sind sie auch für das Herz und den Kreislauf gut.» Ebenfalls gesund sind Isothiocyanate. Diese Bitterstoffe finden sich im Kohlgemüse. Das Gleiche gilt für den Bitterstoff Lactucopikrin, der in bitteren Salaten wie Endivie, Lattich, Chicorée, Radicchio und Rucola enthalten ist.
Bitterstoffe: Vorsicht bei eigener Züchtung
Als gesund gelten weiter der Bitterstoff Cynarin, der vor allem in den Blättern am Stiel der Artischocke zu finden ist, sowie der Bitterstoff Taraxin, der sich im Löwenzahn bildet. Beide Bitterstoffe setzen Therapeuten als Heilpflanzen bei Verdauungsbeschwerden ein. Der Heilpflanzenfachmann Martin Koradi aus Winterthur ZH sagt dazu: «Diese Bitterstoffe regen die Produktion von Magensäften an und wirken dem Völlegefühl entgegen.»
Doch es gibt auch schädliche Bitterstoffe. Dies wurde im vergangenen Sommer einem Mann in Deutschland zum Verhängnis: Wie Medien wie der deutsche «Spiegel» oder «20 Minuten» damals berichteten, ass er einen bitter schmeckenden Zucchetti-Auflauf und starb. Ernährungsexperte Rufener sagt: «Der Bitterstoff Cucurbitacin, der in Zucchini, der Gurke und im Kürbis enthalten ist, kann in hoher Dosis gefährlich sein.»
Der Mann verzehrte allerdings eine eigene Zucchetti-Züchtung aus dem Garten. Das Gemüse aus den Theken der Grossverteiler ist dagegen unbedenklich. Martin Koller, Berater beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), sagt: «Die gefährlichen Bitterstoffe züchtet man aus dem Gemüse weg.» Für gewöhnlich muss man sich keine Sorgen machen, wenn man in eine Gurke beisst oder eine Pizza mit Zucchini belegt. «Wenn aber Hobbygärtner selbstgezogene Samen von Kürbisgewächsen wie Gurken oder Zucchini einpflanzen, kann es passieren, dass das Gemüse zu viel Cucurbitacin enthält und deshalb giftig ist», sagt Martin Koller.
Kartoffeln: Unreife Stellen wegschneiden
Ein erhöhter Anteil an Cucurbitacin kann verschiedene Ursachen haben: So könne die Pflanze in besonders warmen Sommern mehr Bitterstoffe als üblich bilden, sagt Koller. Auch sei es möglich, dass sich der eigene Kürbis mit dem Zierkürbis des Nachbarn gekreuzt habe und die Frucht deshalb zu viele Bitterstoffe enthalte. Oder dass sich spontan wieder Bitterstoffe bildeten. «Aus diesem Grund ist bei Gemüse aus selbstgezogenen Samen Vorsicht geboten. Man sollte das Gemüse nur dann verwenden, wenn es roh nicht bitter schmeckt.»
Auch der Bitterstoff Solanin, der in der Aubergine, der Tomate, der Kartoffel und der Peperoni enthalten ist, ist in hoher Dosis giftig. Bei Kartoffeln, Tomaten und Peperoni findet sich das Solanin an den grünen, unreifen Stellen – diese sollte man deshalb grosszügig wegschneiden.
Auberginen nicht zum Rohverzehr geeignet
Bei der Aubergine gilt: Nur in gekochtem und gebratenem Zustand essen, weil das rohe Gemüse zu viel Solanin enthält. Dieser giftige Bitterstoff kann die Schleimhaut im Magen-Darm-Trakt angreifen und ist in sehr hoher Dosis lebensgefährlich.