Elisabeth Widmer macht jeden Morgen einen ausgedehnten Spaziergang mit ihren Hunden: «Bewegung tut mir gut», sagt die 80-Jährige aus Aarwangen BE. Seit ihrer Kindheit hat sie das Restless-Legs-Syndrom. Ihre Beine und Arme beginnen zu zappeln, sobald sie zur Ruhe kommen möchte. «Es fühlt sich zuerst an, als ob sich die Muskeln stark zusammenzögen», erzählt Widmer. «Es kribbelt und blubbert in den Beinen.» Dann komme es wie eine Explosion: Die Beine und Arme schlagen unwillkürlich aus.
Die genaue Ursache der Nervenkrankheit ist bisher nicht bekannt. Mediziner gehen davon aus, dass der Stoffwechsel des Botenstoffs Dopamin im Gehirn nicht richtig funktioniert. Auch Vererbung spielt eine Rolle.
Die Krankheit brachte Elisabeth Widmer oft an ihre Grenzen: «Ich konnte nicht mehr schlafen, war völlig erschöpft und verzweifelt.» Hinzu kamen Schmerzen. Seit sie Medikamente nimmt, seien ihre Beschwerden erträglicher. Das Problem bei Medikamenten gegen unruhige Beine: Sie haben starke Nebenwirkungen.
Zum Teil verstärken sie mit der Zeit gar die Beschwerden («Saldo» 9/2024). Es lohnt sich deshalb, andere Therapien wie Massagen oder Akupunktur auszuprobieren. Diese helfen Patienten oft und haben kaum Nebenwirkungen. Das zeigten in den letzten Jahren mehrere Übersichtsstudien. Fachleute empfehlen körperliche Aktivitäten wie Yoga oder Krafttraining. Laut dem deutschen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zeigten mehrere kleine Untersuchungen, dass Bewegung gegen Unruhe und Missempfindungen in den Beinen hilft. Yoga verbessere zudem den Schlaf und die Stimmung.
Auch die Wissenschafterin Alexe Guay von der Universität Quebec (Kanada) kam 2020 in einer Studie zum Schluss, dass moderate Bewegung wie zügiges Gehen, Wassergymnastik, Tanzen oder Yoga nützlich seien. Am besten ist es, am Vormittag zu trainieren: Gemäss der Deutschen Gesellschaft für Neurologie gibt es Hinweise, dass intensives Training am Nachmittag oder am Abend die Beschwerden in der Nacht eher verstärkt.
Massagen entspannen die Muskeln
Einigen Betroffenen helfen zudem Massagen. In einer kleinen Studie der Universität von Ohio (USA) verwendeten Patienten ein vibrierendes Gerät zur Fussmassage. Nach vier Wochen hatten sie deutlich weniger Beschwerden als die Vergleichsgruppen, die entweder eine Wärmetherapie oder keine Therapie bekamen.
Fachleute empfehlen auch Massagen von Hand oder mit einer Bürste. Diese sollten mit viel Kraft erfolgen und tief ins Gewebe dringen. Das rät die USSchlafmedizinerin Denise Sharon im Fachmagazin «Sleep Medicine Clinics».
Auch Elisabeth Widmer massiert ihre Beine, meist mit einer Sportsalbe: «Das entspannt meine Muskeln und tut mir gut.»
«Chinesische Medizin hilft vielen Patienten»
Auch ein Versuch mit Akupunktur kann sich lohnen. Der Therapeut Urs Gisler aus Tuggen SZ macht damit gute Erfahrungen: «Die traditionelle chinesische Medizin lindert oft die Beschwerden.» Die Heilmethode geht davon aus, dass Beschwerden entstehen, wenn die Lebensenergie im Ungleichgewicht steht oder blockiert ist. Gisler behandelt Patienten unter anderem mit Akupunktur und chinesischen Kräutermischungen.
Elisabeth Widmer sagt, ihr habe jahrelang kaltes Wasser etwas Ruhe in den Beinen verschafft. Studien bestätigen, dass Kälte oft hilft – allerdings meist nur kurzfristig. In einer kleinen Studie der Universität Göttingen (D) zeigte ein täglicher kurzer Aufenthalt in einer Kältekammer bei minus 60 Grad einen Nutzen.
Das geht allerdings ins Geld: Firmen verlangen pro Eintritt in die Kammer 30 bis 60 Franken. Zudem kann die extreme Kälte den Kreislauf belasten. Einigen Patienten helfen Eisenpräparate gegen Unruhe in den Beinen.
Deshalb sollten Ärzte bei Betroffenen den Ferritinwert im Blut prüfen. Liegt dieser bei unter 75 Mikrogramm pro Liter, rät die Gesellschaft für Neurologie zu Tabletten oder Infusionen mit Eisen.
In einzelnen Studien waren auch Infrarotlicht oder die elektrische Stimulation wirksam. Dafür braucht es spezielle Geräte. Studien mit einer elektrischen Stimulation an der Wirbelsäule zeigten die besten Erfolge. Entsprechende Geräte gibt es in der Schweiz allerdings nicht. Erhältlich sind hingegen Tens-Geräte, mit denen man die Nerven in den Beinen stimuliert. Das soll ihre übermässige Aktivität hemmen. Wie gut dies wirkt, ist jedoch kaum untersucht.
Elisabeth Widmer sagt, sie habe gelernt, mit ihrer Krankheit zu leben. Wertvoll sei für sie auch der Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe. Adressen findet man im Internet auf Restless-legs.ch.
Restless Legs: Das sind die Anzeichen
- Betroffene haben einen nicht kontrollierbaren Drang, die Beine zu bewegen. Dies ist oft begleitet von unangenehmen Gefühlen oder Schmerzen. Selten sind auch die Arme betroffen.
- Die Beschwerden treten vor allem abends oder in der Nacht auf.
- Die Beschwerden beginnen oder verschlimmern sich beim Ruhen, im Liegen und im Sitzen. Beim Bewegen lassen sie deutlich nach.
- Die Beschwerden treten oft an beiden Beinen auf.