Vor anderthalb Jahren wurde Katja Maier (Name geändert) alles zu viel. «Ich hatte keine Kraft mehr», sagt die 49-jährige Mutter von drei Kindern, die in Deutschland nahe der Grenze bei Basel wohnt. Eines Abends im Herbst 2017 sah sie nur noch Schwarz: Deshalb fuhr sie nach der Arbeit statt nach Hause in die nächstgelegene psychiatrische Klinik in Freiburg im Breisgau (D). «Ich wäre nicht lebendig zu Hause angekommen», erinnert sie sich. Sie wollte sich das Leben nehmen. «Das war der Tiefpunkt meines Lebens.» Zweieinhalb Wochen blieb sie in der Klinik.
Ein halbes Jahr später sah sie eine Fernsehsendung über Frauen, die mit der Hormonspirale Mirena verhüteten und unter schweren Depressionen litten. Sofort wurde ihr klar, dass ihre Depression etwas mit der Mirena-Spirale zu tun haben könnte, die sie seit 2008 verwendete. Sie sprach ihren Frauenarzt darauf an. Er entfernte wenig später ihre Spirale. Gleichzeitig liess sich ihr Mann sterilisieren. Jetzt hofft Maier, dass sie die Antidepressiva, die sie seit ihrem Klinikaufenthalt nimmt, bald absetzen kann.
Maier ist kein Einzelfall. Forscher haben herausgefunden: Verhütungsmittel mit Hormonen erhöhen nicht nur das Risiko für gefährliche Blutgerinnsel (Gesundheitstipp 9/2015), sondern auch für Depressionen. Das betrifft ausser der Hormonspirale auch sämtliche Antibabypillen, Vaginalringe und Hormonpflaster. Das zeigte 2016 eine Studie der Universität Kopenhagen (Dänemark) mit über einer Million Teilnehmerinnen.
Am grössten ist das Risiko bei Hormonspiralen. Dazu gehören Mirena und Jaydess (siehe Tabelle im PDF). Von 1000 Frauen, die während 20 Jahren eine Hormonspirale verwenden, bekommen 29 eine Depression. Zum Vergleich: Bei Frauen, die keine künstlichen Hormone nehmen, sind im gleichen Zeitraum nur 17 betroffen.
Vergangenes Jahr zeigte eine dänische Studie mit 475000 Teilnehmerinnen zudem: Frauen, die Verhütungsmittel mit Hormonen verwenden, versuchen häufiger, sich das Leben zu nehmen. Die Heilmittelbehörde Swissmedic will deshalb die Beipackzettel «noch dieses Jahr» anpassen.
Fachleute raten zu natürlichen Methoden
Fachleute empfehlen bis anhin: Frauen sollten auf die Pille verzichten, wenn sie viel rauchen, über 35 Jahre alt oder stark übergewichtig sind. Der Arzt und Apotheker Wolfgang Becker-Brüser rät nun auch zu Vorsicht, wenn eine Frau merkt, dass sich eine Depression entwickelt, während sie ein Verhütungsmittel mit Hormonen nimmt: «Dann würde ich eines ohne Hormone empfehlen.»
Franziska Wirz von der Beratungsstelle Appella rät Frauen, die die Pille verwenden, auf psychische Veränderungen zu achten. Ist das der Fall, sollte die Frau die Pille absetzen und schauen, ob sie sich dann wieder besser fühlt. Frauenärztin Lilian Saemann aus Solothurn empfiehlt die natürliche Verhütungsmethode: Man misst die Temperatur und beobachtet den Zervixschleim. Andere Möglichkeiten ohne Hormone sind Kondome, ein Diaphragma oder die Kupferspirale. Frauenärztin Regina Widmer von der Praxis Runa in Solothurn ergänzt: «Es gibt kleine, dünne Kupferspiralen, die sich auch für Frauen eignen, die kein Kind geboren haben.»
Frauen, die dennoch mit der Pille verhüten möchten, sollten ein möglichst niedrig dosiertes Produkt mit Östrogen und Gestagen verwenden, sagt Arzt Etzel Gysling aus Wil SG. Denn die dänische Studie zeigte auch, dass das Risiko für Depressionen bei diesen Antibabypillen geringer ist (siehe Tabelle im PDF).
Die Firma Bayer vertreibt unter anderem die Mirena-Spirale und stellt verschiedene Pillen her. Sie räumt ein, dass Depressionen als Nebenwirkung bekannt sind. Frauen würden jedoch unterschiedlich auf Verhütungsmittel reagieren. Bayer nehme die Sicherheit der Patientinnen «sehr ernst».
Merck, Sharp & Dohme, Herstellerin mehrerer Pillen und des Nuva-Rings, schreibt: Die Studien würden nicht eindeutig beweisen, dass das Risiko für Suizid erhöht sei bei Frauen, die mit Hormonen verhüten.
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