Daniel Lüscher, 50
«Beim Fahren schöpfe ich Kraft»
Der SBB-Mitarbeiter ist in der Freizeit als Tixi-Fahrer für Behinderte unterwegs
Bis zweimal pro Woche fährt Daniel Lüscher am Feierabend als ehrenamt-licher Chauffeur für den Fahrdienst Tixi. Das sei für ihn pure Erholung.
Daniel Lüscher, fahren Sie an Weihnachten auch als Tixi-Chauffeur?
An Heiligabend nicht – dann bin ich ausgebucht, weil ich eine Familie und ein Göttimädchen habe. Aber am Weihnachtstag bin ich auch schon gefahren. Dann möchten viele Leute, die auf Tixi-Fahrten angewiesen sind, ihre Eltern besuchen.
Sie verdienen nichts dabei. -Warum haben Sie sich als Tixi-Fahrer gemeldet?
Ich wollte etwas Sinnvolles machen in der Freizeit.
Das klingt fast so, als würden Sie es eigentlich für sich selbst machen.
So ist es nicht. Ich möchte Menschen helfen, denen es nicht so gut geht wie mir. Aber ich bekomme von den Fahrgästen auch viel zurück.
Was bekommen Sie zurück?
Beim Tixi-Fahren kann ich Kraft schöpfen. Die Dankbarkeit der Fahrgäste erfüllt mich mit Zufriedenheit. Das ist für mich der Lohn für meine Arbeit und für die Zeit, die ich opfere. Und wenn ich sehe, wie andere Menschen mit ihrem schweren Schicksal umgehen, wird mir klar: Meine Probleme im Privatleben oder am Arbeitsplatz sind eigentlich gar keine.
Welche Schicksale berühren Sie?
Ab und zu habe ich eine Frau als Fahrgast, die ihr Augenlicht mit 20 Jahren durch einen Arztfehler verlor. Obwohl sie blind ist, will sie ins Kino oder ins Theater. Wenn ich sie heimfahre, erzählt sie blumig, was im Theaterstück abging. Das finde ich grossartig.
Wird Ihnen das Fahren nicht zu anstrengend neben Ihrem Job und der Familie?
Eigentlich nicht. Meine Familie muss aber schon flexibel sein, wenn ich in Spitzenzeiten mehrere Abende pro Woche unterwegs bin. Da hat meine Frau jeweils nicht so Freude und sagt: Schon wieder, nie bist du zuhause. Aber das kommt nicht oft vor.
Sollten mehr Leute -unbezahlte Arbeit leisten?
Ja, das wäre wünschenswert. Ich bin auch Kassier in zwei Vereinen. Es wird immer schwieriger, Leute zu finden, die sich freiwillig engagieren. Meine Frau diskutierte mit einer Bekannten über Tixi. Die erste Frage der Bekannten war: Was bekommt er dafür? Das ist leider die Einstellung vieler Menschen: Sie wollen nichts machen ohne Bezahlung. Das finde ich schade.
Sie sagen, Tixi-Fahren sei -erholsam. Autofahren ist aber oft stressig.
Ich lasse mich nicht stressen. Ich fahre defensiv und ruhig. Ich kenne das Strassennetz des Kantons Zürich ziemlich gut. Deshalb kann ich Staus auf Schleichwegen umfahren. Wenn ich mit der Fähre über den Zürichsee fahre, ist das wie eine kleine Kreuzfahrt. Oder wenn ich bei Sonnenuntergang über den Pfannenstiel fahre, kann ich das mit meinen Fahrgästen zusammen geniessen.
Zur Person - Daniel Lüscher
Hauptberuflich arbeitet der 50-jährige Daniel -Lüscher als Verkehrsplaner bei den SBB. Seit zehn Jahren fährt er in der Freizeit als Chauffeur für den Behinderten-Transportdienst Tixi. Lüscher wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in Kloten ZH.