Manchmal genügen ein Windhauch und ein paar Regentropfen, dass ich meine Hände nicht mehr spüre. Sie werden schneeweiss. Fühlen sich leblos an. Ebenso verheerend wirken sich Klimaanlagen und Durchzug auf meine kälteempfindlichen Hände aus. Im Winter verbringe ich deshalb viel Zeit in meiner Wohnung, ausgerüstet mit Decken und Heizkissen für Notfälle. Um der Winterkälte zumindest einmal ausweichen zu können, lege ich meine Ferien immer in die kalte Jahreszeit und fliege in die Wärme.
Ich leide an der Weissfingerkrankheit (siehe unten). Sie wird auch «Toten-» oder «Leichenfingerkrankheit» genannt. Von meiner Mutter weiss ich, dass mir meine Krankheit schon als Vierjährige zu schaffen machte: Als sie meine schneeweissen Hände zum ersten Mal entdeckte, war sie geschockt. Von diesem Tag an packte sie mich immer besonders warm ein.
Trotzdem hatte ich bei sehr tiefen Temperaturen häufig «Leichenfinger». Besonders schmerzhaft war das beim Skifahren. Wenn ich länger als eine Stunde draussen war, nützten auch dicke Handschuhe nichts mehr. Meine Hände waren «eingefroren», ich konnte die Stöcke kaum mehr halten. Ich spürte meine Hände nicht mehr, auch dann nicht, wenn ich mich verletzte. Erst in der warmen Stube – mit Hilfe eines kühlen bis lauwarmen Wasserbads – tauten sie wieder auf und verfärbten sich blau und rot. Dabei setzte ein Schmerz ein, der sich wie Messerstiche anfühlte. Obwohl ich in den Bergen aufgewachsen bin und das Skifahren liebe, musste ich es aufgeben.
In der Pubertät störten mich meine leichenblassen Hände immer stärker. Ich schämte mich vor meinen Schulkolleginnen, die beim Anblick meiner Hände zurückzuckten: «Das isch gruusig.»
Zudem hatte ich Angst, dass meine Hände eines Tages nicht wieder «auftauen» würden und für immer gefühllos blieben. Also ging ich zu meinem Hausarzt. Doch er belächelte mich nur. Ich litt darunter, dass mich niemand ernst nahm, fühlte mich mit meinem Problem allein gelassen. Im Internet stiess ich dann eines Tages auf das Raynaud-Syndrom. Da wusste ich: Meine Krankheit hat jetzt immerhin einen Namen. Ausserdem fand ich auf den Websites hilfreiche Informationen und gute Tipps.
Seither schütze ich mich vor der Kälte so gut es geht. Die Temperatur in meiner Wohnung versuche ich auf 24 Grad zu halten. Bei Kälte, Regen und Wind trage ich auch in der Stadt Fausthandschuhe. Ist es eiskalt, stecke ich Wärmebeutel in die Handschuhe.
Auf die warmen Sommertage freue ich mich jeweils besonders. Doch leider sind immer mehr Räume und Züge klimatisiert. Deshalb habe ich im Sommer immer eine leichte Jacke mit. Wenn ich sie dann anziehe, habe ich manchmal das Gefühl, dass mich die Leute im Zug seltsam mustern. Vor zehn Jahren arbeitete ich in einem Grossraumbüro mit Durchzug. Damals konnte ich die Computertastatur oft kaum mehr bedienen. Seit acht Jahren habe ich ein eigenes Büro.
Heute kann ich mit meiner Einschränkung umgehen, weil ich entsprechend vorsorge. Ich schütze die Hände vor Kälte und Wind und bin oft im Krafttraining, Zumba oder Pilates anzutreffen, damit meine Hände stets gut durchblutet sind.
Raynaud-Syndrom
Diese Gefässkrankheit wird durch vorübergehende Krämpfe in den Gefässen hervorgerufen. Dadurch fliesst weniger Blut in die entsprechenden Körperregionen, was diese erblassen lässt sowie blau und rot verfärbt. Oft ist unklar, woher das Raynaud-Syndrom rührt. Es kann auch bei anderen Krankheiten auftreten, zum Beispiel nach einem Trauma oder nach einer Überdosierung bestimmter Medikamente.