Die Sonne brennt vom Himmel, das Thermometer zeigt Werte von über 30 Grad Celsius. Bei solchen Temperaturen fühlt sich Doris Knuchel nicht wohl: «Mir wird es manchmal ganz sturm im Kopf», sagt die 71-Jährige aus Adliswil ZH. Der Kreislauf mache Probleme, ihr Blutdruck schwanke stark. Sie traue sich dann kaum mehr allein aus dem Haus.
In der Tat: Hitze ist für Ältere riskant. Studien des Basler Swiss Tropical and Public Health Institute zeigen: Während Hitzewellen sterben deutlich mehr Leute. Das Risiko steigt ab einem Alter von 65 Jahren. Bei Hitze müssen auch mehr Senioren notfallmässig ins Spital.
Hinzu kommt: Medikamente vergrössern im Sommer das Risiko für Patienten. Das gilt vor allem für Blutdrucksenker. Martina Ragettli, Forscherin am Basler Institut, sagt: «Die Medikamente können während Hitzewellen die Gefahr eines Herztodes erhöhen.» Denn sie verstärken den Stress für den Körper. Der ehemalige Zürcher Stadtarzt Alfred Wettstein sagt: «Blutdrucksenker vom Typ Diuretika das grösste Risiko.» Dazu zählen Fludex und Lasix (siehe Tabelle im PDF). Diese Mittel entwässern den Körper und senken damit den Blutdruck. Doch bei Hitze ist das gefährlich. Der Körper trocknet aus und verliert zudem Salz und Mineralien. Wettstein sagt: «Bei einem Hitzetod ist oft ein massiver Salzmangel die Ursache.» Dabei wird man zuerst träge und verwirrt. Bei einem stärkeren Mangel kommen Zittern und Krämpfe hinzu. Diuretika stecken auch in vielen Kombiblutdruckmitteln. Deren Namen enthalten oft Silben wie «Co-», «plus» oder «HCT». Wer solche Mittel nimmt, sollte bei Hitze nicht nur viel trinken, sondern auch Salziges essen. Ideal sind kalte gesalzene Suppen (siehe Kasten).
Einige Pillen verringern das Durstgefühl
Blutdruckmittel wie Cosaar, Accupro oder Betablocker wie Concor verursachen bei Hitze ebenfalls Probleme. Bei einigen Tabletten spüren Patienten weniger Durst. So steigt die Gefahr, dass sie zu wenig trinken. Das führt zu Kopfschmerzen, Muskelkrämpfen und Verwirrtheit. Zudem kann der Blutdruck zu tief sinken, weil sich die Gefässe durch die Wärme weiten. Auch Doris Knuchel hatte Probleme mit ihren Blutdruckmitteln. Mit einem Medikament aus drei Wirkstoffen fiel der Blutdruck auf Werte unter 100. Auch mit diesem neuen Medikament fühlte sie sich zu Beginn nicht gut. Sie musste die Dosis verringern. Sacha Beck, ärztlicher Leiter beim Zürcher Gesundheitszentrum Age Medical, rät Patienten, mit ihrem Arzt zu sprechen: «Es kann nötig sein, die Menge der Medikamente oder die Zielmengen für Flüssigkeit und Salz bei Hitzewellen anzupassen.» Gehe es Patienten schlechter, solle man prüfen, ob Medikamente die Ursache seien, sagt Beck.
Schmerzpflaster wirkt bei Hitze zu stark
Auch Medikamente gegen Depressionen, Schlafstörungen und Migräne machen die Hitze gefährlicher. Das gilt ebenso für Schmerzpflaster wie Durogesic: Wegen der Hitze geben sie mehr vom Wirkstoff ab, was gefährlich sein kann. Bei Durogesic ist das zwar auf dem Beipackzettel vermerkt. Bei vielen anderen Medikamenten erfahren Patienten jedoch kaum etwas über die Gefahren bei Hitze. Arzt Sacha Beck sagt: «Die Beipackzettel enthalten meist keine konkreten oder nur indirekte Hinweise.» So steht bei Lasix lediglich, dass es zu «Störungen im Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt» kommen könne, insbesondere beim Schwitzen, bei Erbrechen oder Durchfall.
Auch Ärzte weisen ihre Patienten oft zu wenig auf die Risiken hin. So sagt Patient H. W. aus Rüti ZH: «Ich wusste nicht, dass meine Blutdruckmittel bei Hitze ein Problem sein können.» Er nimmt unter anderem Fludex, das entwässert. «Das ist nicht gut. Denn ich habe sowieso Mühe, im Sommer genug zu trinken.»
Doris Knuchel achtet jetzt darauf, dass sie an Hitzetagen viel trinkt. Zudem schliesst sie tagsüber die Fenster und lässt einen Ventilator laufen. Sie schwitze stark, sagt Knuchel. Ihr Sohn habe ihr geraten, Salziges zu essen. «Ich habe mir dann Pommes-Chips gegönnt.»
Die Hersteller schreiben, die Patienteninformationen würden nach den Vorgaben der Arzneimittelbehörde und dem aktuellen Wissensstand erstellt. Dies umfasse die Auswirkungen bei extremer Hitze nicht. Laut Lundbeck sind Nebenwirkungen wie Schwitzen, Blutdruckabfall und Schwindel in der Packungsbeilage von Antidepressiva erwähnt. Teva Pharma warnt, Kentera erhöhe das Risiko für einen Hitzschlag. Novartis sagt, Fentalis wirke bei Hitze stärker.
So kommen Sie gut durch den Sommer
- Besprechen Sie mit dem Arzt, ob Sie die Dosis der Medikamente anpassen müssen.
- Schliessen Sie tagsüber Fenster und Läden. Lüften Sie nur nachts.
- Lassen Sie kaltes Wasser über Hände und Unterarme laufen. Oder kühlen Sie den Nacken mit einem feuchten Handtuch oder einem Kühlkissen.
- Trinken Sie salzige Getränke wie verdünnte Gemüsesäfte oder den Joghurtdrink Ayran.
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